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far from home
Leise murmelnd zog er seinen Finger zurück.
Er hatte die kleine Flauschkugel namens Eule in seinem Schoß festgehalten und gar nicht gemerkt, wie seine Finger sich immer enger drum geschlossen hatten, bis zu jenem Moment, wo er den schmerzhaften Pickser spüren konnte. Instinktiv schob Philian seinen Zeigefinger in den Mund und konnte spüren, wie das Federvieh sogleich entfloh, um irgendwo über ihm wohl auf seinem Koffer Platz zu nehmen und Rettung zu finden. Er stieß die Luft aus und seufzte leise, während er schwieg. Dass er ein Abteil für sich alleine gefunden hatte, war tatsächlich ein sonderbarer Zufall. Und dass es einer war, wo er sich das genaue Gegenteil wünschte, noch viel sonderbarer. Doch es war plötzlich keine Zeit mehr gewesen. Seine Schwester hatte seine Mum noch hundert Mal umarmt und sein Vater hatte ihm gefühlt genauso oft auf die Schulter geklopft, ehe sie den letzten Pfiff hatten hören können und schon zum Zug gescheucht worden waren. Plötzlich war die Zeit vorbeigewesen, welche sie gehabt hatten und die Ferien waren wieder am Ende.
Auch wenn es wunderbare Wochen gewesen waren – Ian hatte sie zweifelsohne sehr genossen und er wollte sie auch nicht missen, so hatte ihm doch der Kontakt zu seinen Freundinnen arg gefehlt und eigentlich war seine Hoffnung gewesen, dass er Ryleigh und Mairwen auf der Zugfahrt schon wiedersah, um ihnen von seinen Ferien berichten zu können. Auch um zu fahren, wie deren Fest gewesen war – etwas, was sie eben jedes Jahr taten, was zur Freundschaft unweigerlich dazu gehörte, wo sie das Fest nicht miteinander verbrachten. Es war nicht so, dass Philian mit Mairwen darüber gesprochen hatte und sie einvernehmend beschließen konnten, dass es erstmal besser so war. Denn er war der Ravenclaw seit jener Eskalation im Korridor kaum mehr begegnet, eigentlich waren die letzten drei Wochen wie im Flug an ihm vorbeigezogen. Und dann hatte Mairwen noch den schrecklichen Unfall gehabt, welcher ihn aufgewühlt und unsicher hatte werden lassen – dass sie über ganz anderes gesprochen hatten, nachdem sie wieder in Hogwarts gewesen war. Dennoch war es ein seltsames Gefühl gewesen, wenngleich Philian dies auf den Unfall und die schlimmen Erfahrungen seiner Freundin schob, konnte er doch nicht recht damit umgehen, dass sie seine Nähe anscheinend nicht gesucht hatte, obwohl ihr Schlimmes widerfahren war.
Was er anders kennen gelernt hatte. Vielleicht war es auch immer seine ergriffene Initiative gewesen, nach welcher er überhaupt erst so viel von Mairwen mitbekommen und ihr so nah hatte kommen können. Denn über die Ferien war kaum mehr als eine Handvoll Briefe zwischen ihnen hin und her geflogen und letztlich fühlte es sich doch wie etwas Belangloses an, über das sie geschrieben hatten. Durch den Familienurlaub in Spanien war die Ferienzeit nach Weihnachten auch viel zu schnell vorbeigewesen, um sich überhaupt mit irgendjemanden treffen zu können.
Einen Moment blieb Ian sitzen.
Unsicher, ob er etwas tun sollte oder nicht: und wenn, wusste er nicht genau, was. Schließlich konnte er schlecht durch den Gang des Zuges tippeln und durch die Glasscheiben in die Abteile hineinschauen, um seine Freundin zu finden. Dennoch berührte er einen Moment mit den Fingern die Brusttasche seines Umhanges, welche wegen einem kleinen Päckchen ausgebeult war. Schließlich war Weihnachten gewesen und er mochte es, Menschen kleine Aufmerksamkeiten zu überreichen. Wo er fest davon überzeugt gewesen war, dass er Ryleigh und Mairwen heute wiedersehen würde, hatte er die Sachen dicht an seinem Körper verstaut. Ein leises Lächeln schlich sich auf die Züge des jungen Hufflepuff als er sich vorstellte, wie Mairwen wohl reagieren würde, wenn sie das Päckchen mit dem Armband öffnete, welches aus Muscheln gemacht worden war und immer zu leise wie die Meeresbrandung rauschte. Zudem roch es genauso wie das Meer, an welchem er gestanden hatte und er hatte ebenjene Muscheln gesammelt, damit ein Magier in den Geschäften ihm diese zu dem filigranen Armband zusammenzauberte, welches er als Weihnachtsgeschenk für seine Freundin mitgenommen hatte. Dass er es ihr auch per Eule hatte zukommen lassen können, war ausgeschlossen gewesen. Geschenke mussten persönlich übergeben werden, sonst verloren sie an Bedeutung und büßten ihren Wert ein. Seufzend erhob sich Ian dann doch und schob die Tür zum Abteil auf. Grade konnte er nur darauf vertrauen, dass sein Gepäck schon den Weg zum Schloss und in seinen Schlafsaal finden würde, denn er hatte keinen Anhaltspunkt, dass es genau sein Abteil war. Saß ja niemand drinnen. Normalerweise bewegte er sich auch nur noch geringfügig, sobald er einmal im Zug saß.
Unsicher folgte Philian dem Gang, während er angestrengt versuchte, eine bekannte Stimme herauszuhören, welche er dann fragen konnte, ob diese die Gryffindor oder die Ravenclaw gesehen hatte.
Geschrieben von Mairwen Longbottom am 11.09.2016 um 09:18:
Nachdenklich kaute Mairwen auf dem Kopf des zappelnden Schokofroschs herum. Die Sammelkarte lag unberührt in der Schachtel neben ihr auf dem Sitz. Die Karte war uninteressant für die Ravenclaw, einzig die Schokolade interessierte sie. Aber das war schon immer so gewesen. Im Vergleich zu manch anderen, war sie nie in diesen Sammelwahn verfallen. War irgendwie an ihr vorbei gegangen. Zwar hatte es bei weitem genug zu essen gegeben über Weihnachten, doch der Frust und das ungute Gefühl im Magen waren nicht gewichen. In den Ferien hatte sie sich alleine gefühlt, wie schon lange nicht mehr. Sofian hatte sie wie eine Aussätzige behandelt, Ian war mit seiner Familie weg gefahren und Ryleigh war auf Hogwarts geblieben. Etwas, das sie am liebsten auch vorgezogen hätte, anstatt Weihnachten im Fuchsbau zu verbringen oder gar mit ihrer Familie. Die Situation zwischen ihren Eltern war einfach nicht auszuhalten. Selbst wenn sie besser mit ihrem Vater zurecht kam, mochte sie nicht, wenn sie sich stritten. Irgendwann begann man sich doch Vorwürfe zu machen, auch wenn sie es nicht wollte. Irgendwelchen Versöhnungsversuchen sah sie auch nicht sonderlich hoffnungsvoll entgegen. Eher rechnete sie mit einer kompletten Trennung. Vielleicht war eben doch zu viel passiert mit ihr, mit ihren Geschwistern. Die ganze Situation schien einfach zu viel zu sein. Abgesehen davon war sie im Fuchsbau Louis über den Weg gelaufen, was ihre Laune nicht unbedingt gehoben hatte. Die Ferien waren im Großen und Ganzen einfach zum kotzen gewesen. Wie eben alles.
Die Beziehung mit Philian hatte ebenso einfach nicht klappen wollen, egal wie viel Mühe sie sich gegeben hatte. Immer war etwas dazwischen gekommen, zumeist leider Sofian. Dabei wollte sie gar nicht, dass der Gryffindor ihre Beziehung wieder zerstörte. Aber Ryleigh hatte auch ihren Teil dazu getan und ihr ins Gewissen geredet, dass sie dem Hufflepuff nur weh tat, dass sie es nur noch schlimmer machte, sie ihn nur ausnutzte. Die Longbottom hatte es nicht glauben wollen, doch im Prinzip hatte Ryleigh leider recht gehabt. Leider. Mairwen wollte es sich nicht eingestehen, aber sie hatte die Zuneigung, die Philian ihr bedingungslos zugestanden hatte, einfach angenommen wie sie war. Mit ihm hatte sie sich nicht streiten oder kämpfen müssen, nicht mal verstellen, so wie bei Sofian. Er war einfach da gewesen und es so sehr verdient. Sie liebte ihn über alles, aber eben als Freund, als Kumpel. Er war einer der wichtigsten Menschen auf der Welt, doch eine richtige Beziehung wollte sie eigentlich gar nicht mit ihm führen. Sie wollte ihn nur als besten Freund, wie es bisher immer gewesen war. Das andere hatte sie aber billigend in Kauf genommen und es dadurch nur noch schlimmer gemacht. Aber einen Streit mit Philian hätte sie nicht auch noch ertragen. Aber jetzt… musste sie es wohl ertragen. Sie konnte ihm nicht ewig etwas vormachen, ihn nicht für immer anlügen. Wenn sie nur daran dachte wurde ihr schlecht. Sie hatte keine Ahnung wann sie ihn abpassen sollte. Aber irgendwann musste sie es hinter sich bringen und sein Herz brechen.
Mit zwei anderen Hufflepuff Mädchen aus ihrer Klassenstufe saß sie im Zugabteil, ließ die anderen aber reden und sah selbst hauptsächlich aus dem Fenster, beobachtete die Landschaft. In ihrem Kopf legte sie sich die besten Worte zusammen, aber sie wusste selbst, dass es keine richtigen oder guten Worte dafür geben würde. Das war wohl das Schlimmste an der ganzen Sache.
”Ist das nicht Philian auf dem Gang?”, sprach die eine zur anderen und sofort drehte sie ihren Kopf Richtung Gang. Tatsächlich. Da lief er vorsichtig entlang. Ihr Herz wurde schwer. Ob sie zu ihm gehen sollte? Sicher könnte sie ihn ignorieren und so tun, als hätte sie ihn nicht gesehen. Die vielsagenden Blicke der zwei Hufflepuffs trafen sie wie Pfeile. Es war kein Geheimnis, dass sie zusammen waren. Mairwen lächelte matt und legte den halben Schokofrosch wieder in die Packung, nur um das Abteil zu verlassen und Philian vorsichtig am Arm zu berühren, als sie ihn ansprach. “Ian, da bist du ja. Hab dich am Bahnhof gar nicht gesehen.” Wenigstens das stimmte wirklich. Sie hatte nach ihm Ausschau gehalten, aber sie selbst waren so knapp gekommen, dass es wichtiger gewesen war, einzusteigen. Nach kurzem Zögern hauchte sie ihm einen Kuss auf die Wange und deutete ihm dann weiter zu gehen, denn sie hatte keine Lust sich weiter von den Hufflepuffs in ihrem Abteil weiter ausspannen zu lassen. So gingen sie wieder in die Richtung, aus der er gekommen war, zurück in das leere Abteil. “Wie waren deine Ferien?”, fragte sie ihn übermäßig fröhlich. Zwar hatte er schon in den Briefen einiges erzählt, aber es war trotzdem noch mal etwas anderes es dann direkt zu hören. Und vielleicht konnte sie sich in der Zeit doch noch die richtigen Worte zurechtlegen.
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Geschrieben von Philian Spinnet am 15.09.2016 um 18:32:
Vermissen.
Ian hatte oft genug schon etwas vermisst. Er hatte nach seiner Einschulung seine Eltern schrecklich vermisst, als er nicht mehr bei ihnen gewesen war und sich in einer völlig fremden Umgebung hatte zurecht finden müssen. Es war furchtbar schwer am Anfang gewesen, dass er immer wieder die Orientierung verloren hatte und die sich drehenden Treppen hatten es ihm kaum leichter gemacht, herauszufinden, wo er grade war. Immer wieder hatte er sein Zuhause vermisst, in welchem alles an einem Ort blieb und welches fest war – in welchem er sich von Klein auf frei bewegt hatte und wo es keine unerwarteten Hindernisse gab. Auch hatte Ian seine Schwester vermisst. Wie gut ihr Verhältnis zueinander auch war, hatte es sich über die Jahre ihrer beider Entwicklung hin verändert und es war etwas freier geworden. War für mehr Luft zu Atmen geschaffen, doch glaubte Philian in manchen Momenten, dass er mit so viel Sauerstoff nicht umgehen konnte.
Neben Menschen war er einer der wenigen Menschen, die noch etwas anderes vermissten. Auch wenn er darüber wahrscheinlich niemals reden würde. Nicht mit anderen. Vielleicht mit Ryleigh, denn wenn, war sie die einzige, die im Ansatz verstehen konnte wie jenes Vermissen für ihn war – doch auch die Gryffindor würde es nicht wirklich kennen. Sie hatte nie gehört. Doch er hatte mal gesehen. Die meiste Zeit über ging es gut, die meiste Zeit über dachte der junge Spinnet gar nicht daran, wie sehr ihm das Sehen eigentlich fehlte – doch dann und wann gab es die Momente, in denen es ihn heftig traf. Dann, wenn wie jetzt, seine Überforderung stieg und er wusste, es wäre leichter, wäre er jemand anderes. Wäre er ganz normal, würde er nicht durch den Flur schleichen und Angst davor haben, jemanden auf die Füße zu treten oder in einen Menschen hineinzurennen. Er würde nicht – fragen müssen. Könnte von alleine wissen, in welchem Abteil Mairwen war und es wäre keine Sache von großer Überwindung, sie zu suchen. Sich gegen seine eigenen Gewohnheiten für sie zu stellen, damit er sie fand, weil er nicht länger sitzen bleiben konnte.
Philian vermisste nicht vieles in seinem Leben. Er war ein grundzufriedener Mensch. Einer, der lieber glücklich wie chronisch unzufrieden war und .. letztlich wusste er es eben nicht besser. Denn viele Erfahrungen würde auch er erst noch sammeln müssen, grade was die Welt an sich anging. Doch wenn er vermisste, dann tat es weh und er besaß manches Mal die Kraft, sich selbst und seine Ängste zu überwinden.
Schließlich wollte er zu seiner Freundin.
Dass es so viel leichter für Mairwen gewesen wäre, ihn zu finden. Dass sie ohne Weiteres zu ihm hätte kommen können und ihr Herz dabei nicht aus der Brust zu springen drohte – daran dachte Philian nicht. Er verübelte es ihr nicht, sah sich selbst nicht dahingehend an jenem Punkt, Forderungen stellen zu können. Wer wusste, was sie im Kopf hatte. Wer wusste, was sie erlebt hatte, denn einmal mehr waren es Ferien gewesen, wo sie kaum den Kontakt zueinander hatten halten können. Erst im Herbst hatte er um sie Angst gehabt und auf eine Antwort grade nur so gehofft, war es im Winter dieses Mal an ihm gewesen, ihr Briefe schuldig zu bleiben. Er würde ihr alles erzählen, jede Kleinigkeit und so vieles mehr. Und endlich würde er ihre Stimme wieder hören. Wieder wissen, wie sie klang. Nicht, dass er es vergessen hatte – doch das war es, was für ihn Menschen auszeichnete und voneinander unterschied. Sie zu hören. Kein geschriebenes Wort reichte an die Sprache heran, wenn es nach Ian ging. Der einen Moment verzweifelt stehen geblieben war und überlegte, ob er es nicht doch in der anderen Richtung versuchen wollte. Er könnte hören, wie unweit von ihm eine Tür aufgeschoben wurde und tippelte etwas zur Seite, wo er von ausging, dass man es als Platzmachen verstehen konnte. Dass Mairwen tatsächlich mit dem Gedanken spielte, ihn zu ignorieren – dass sie in Erwägung zog, seinen fehlenden Sinn auszunutzen wie alle anderen es immer wieder taten .. wahrscheinlich hätte ihn dieses Wissen tiefer verletzt wie alles, was folgen würde. Dass sie sich sogar so sehr davor zu drücken suchte, die Wahrheit auszusprechen, dass sie ihn verriet. Ian würde es wohl erst glauben, wenn dem der Fall war.
„Mairwen!“, entwich es ihm dann freudig, wenn auch ein wenig nervös. Von dem Gang hier her. Davon, ihr jetzt doch endlich gegenüberzustehen, nachdem er sie gesucht hatte. Sie war da. Es würde alles wieder gut werden. Sie waren wieder zusammen und Philian war sich sicher, dass er jenes leise und lästige Gefühl in seinem Inneren vertrieben bekam, wenn er sich nur gut genug anstrengte und es versuchte. Schließlich verdiente die Ravenclaw seine gesamte Aufmerksamkeit und kein bisschen weniger. „Meine Eltern haben Dich auch nicht gesehen“, murmelte er dann. Was zugegeben auch schwer gewesen war – sie hatten alleine auf die Beschreibung seiner Schwester zurückgreifen können, um nach ihr Ausschau zu halten. Obwohl er schon lange mit beiden befreundet war, hatten sie sich doch immer bei Mairwen getroffen, wenn sie nicht in Hogwarts gewesen waren.
Er griff nach ihrer Hand, als sie sich wieder in Richtung seines Abteils machten. Obwohl so viele Worte ins einem Kopf übereinander stolperten, schwieg der Spinnet. Zu sehr darauf konzentriert, wieder anzukommen – wären die Worte nur verloren gegangen.
So ließ er sich auch wieder auf seinen Platz sinken, als sie in dem Abteil ankamen.
Er zögerte nur einen winzigen Moment – eine Sekunde zwischen dem Hinsetzen und dem Ankommen. Eine zwischen ihren Worten und ihrer Stimme: nichts, was er hätte greifen können. Nur ahnen. Doch selbst diese Ahnung war zu groß für Philian. Er glaubte eher, dass ihr Weihnachten nicht so wunderbar gewesen war wie seines. Dass vielleicht etwas geschehen war. Eine leise Alarmglocke sich melden musste .. denn wie traurig es war, war es mittlerweile vertraut. Er kannte diese winzigen Momente, auch wenn er nie gelernt hatte, etwas mit diesen anzufangen. Oft genug hatte er Mairwen grade dann erlebt, wenn es ihr nicht gut ging. Wenn sie log – und sie hatte es nicht nur einmal getan. Philian tippte mit einem Finger auf sein Bein, während er die Schultern hob. „Toll. Wirklich toll. Wir waren im Urlaub und es war super – am Meer. Warst Du mal am Meer?“, brach es dennoch aus ihm heraus. Denn am Ende blieb nur ein fünfzehnjähriger Junge übrig, dessen Träume überquollen und der so vieles zu erzählen hatte. „Es war eiskalt an den Füßen, aber die Sonne war warm. Nicht wie hier. Hier ist es eisig kalt. Und ich habe Feigen gegessen. Die schmecken total süß. Wir waren auch auf einem Markt, da gab es so viele verschiedene Dinge .. es hat total seltsam gerochen, nach Zimt und Apfel und Tier. Die Menschen haben komisch gesprochen, ich konnte sie gar nicht verstehen .. aber am Meer, da war es toll. Weißt Du, wie es riecht? Und wie es sich anhört ..“, das Grinsen war von ganz alleine auf seine Züge gekommen. Ein Ausdruck von innerer Zufriedenheit, ein Schwelgen in Erinnerungen an den gemeinsamen Urlaub.
Jäh zuckte seine Hand an seine Brust, als er sich an das Päckchen erinnerte. Er holte es hervor und streckte es seiner Freundin hin. „Das ist für Dich“, murmelte Ian dann verlegen. „Für Weihnachten. I-ich hoffe, es gefällt Dir. So klingt das Meer. So riecht es“, so war seine Welt.
Geräusche, Gerüche, Gefühle.
„Wie waren Deine Ferien? Wie geht es Dir?
I-ist alles in Ordnung?“
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Geschrieben von Mairwen Longbottom am 09.10.2016 um 15:47:
Mairwen atmete seufzend aus, als sie sich auf die Sitzbank nieder ließ und Ian gegenüber beobachtete. Er wirkte auf gewisse Weise nervös, doch war es bestimmt nicht so sehr wie sie. Die Metamorphmagus hatte richtig Muffensausen. Es ging ihr so schlecht wie schon lange nicht mehr. Gut, sie wollte es ungern mit der Entführung im Sommer vergleichen, aber schlimm war es trotzdem, denn im Vergleich zu ihm wusste sie was bevorstand. Sie hatte es sich fest vorgenommen und durfte es nicht vermasseln. Ian hatte genug gelitten unter ihr. Dabei hatte er es vermutlich nicht mal als Leid angesehen, doch auch nur weil er nicht wusste, auf was die ganze Beziehung stand. So sehr sie sich gewünscht hatte, ihn lieben zu können und es von ganzem Herzen versucht hatte, so wenig war es eingetreten. Alles würde sie für ihn tun und ihre Freundschaft war das Wichtigste für sie, doch sie liebte ihn einfach nicht so sehr, wie er es verdient hatte. Sicher könnte man ihr unterstellen, dass es auch mit der Freundschaft nicht sonderlich weit war, wenn sie die für eine Beziehung aufs Spiel setzte, die sie sich mehr wünschte, als sie wirklich ausfüllen zu können. Doch im ersten Moment war ihr das nicht so bewusst gewesen. Erst hatte sie ihn nicht verletzen wollen, dann nicht verlieren wollen und schließlich hatte auch sie eingesehen, dass ein Ende mit Schrecken besser war, als ein Schrecken ohne Ende. Es war unfair ihm gegenüber, davon abgesehen, dass sie noch vor den Ferien fast mit Sofian geschlafen hätte.
Ihrer Frage hin folgte ein wahrer Redeschwall, den sie nicht mal mit irgendwelchen Antworten auf seine Fragen hin hätte unterbrechen können. Als er ihr das Päckchen hin hielt, stockte ihr Atem. Ein Geschenk? Zwar hatte sie auch etwas für ihn in der Winkelgasse besorgt, aber im Vergleich zu ihm, war sie nicht an einem spannenden Ort gewesen, sondern erst bei ihrer Mum, dann bei ihrem Dad. Diese waren in den Ferien auch mehr mit sich selbst beschäftigt gewesen. Aber bei Ian hörte sich alles so schön und so spannend an. Ihre Ferien hingegen waren von Konflikten und Streitereien geprägt gewesen. Aber daran hatte sie sich auch schon irgendwie gewöhnt. Abgesehen davon, sollte das nicht sein Problem sein. “Ich…danke…das ist total lieb von dir.” Als wäre es höchst zerbrechlich, nahm sie das Päckchen entgegen. Sie wollte etwas sagen, konnte aber nicht. Vorsichtig löste sie das Papier und öffnete eine kleine Schachtel in der ein Armband aus Muscheln lag. Es sah weder gekauft noch völlig lieblos ausgesucht aus, sondern richtig persönlich. Ein angenehmes Rauschen kam aus den Muscheln. Das war zu viel. Das war eindeutig zu viel. Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals, während sich Tränen in ihren Augen bildeten. “Das ist…das ist wunderschön Ian, aber ich kann das nicht annehmen.” Ihre Stimme war belegt. Vorsichtig schloss sie den Deckel der Schachtel wieder und legte sie beiseite auf die Bank neben sich. Längst hatte sie die Fragen vergessen, die Ian sie gefragt hatte.
Ernst blickte sie ihn an. “Ian ich…muss dir etwas sagen. In den Ferien ist mir etwas klar geworden und das muss ich dir jetzt sagen. Persönlich.” Die Worte fielen ihr schwer und es war kaum auszuhalten ihn dabei zu beobachten. Auch er spürte, das etwas nicht okay war, dass etwas in der Luft lag. Sie beugte sich zu ihm vor und nahm seine Hand in ihre Hände. “Du bist neben Ryleigh der beste Freund, den ich je hatte. Du bist immer für mich da. Ich hab es versucht…wirklich. Ich dachte ich könnte dir das geben, was du verdient hast, aber so sehr ich dich liebe…ich liebe dich nur als Kumpel, aber mehr nicht. Du hast jemanden verdient, der dich wirklich liebt, ein Mädchen, das dir all das geben kann. Aber das bin nicht ich. Es tut mir so leid…” Es zerbrach ihr das Herz und doch war es das Beste für sie beide. Sie legte die Schachtel wieder in seine Hände und zog ihre Hände wieder zurück.
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Geschrieben von Philian Spinnet am 18.10.2016 um 11:50:
Er wusste es nicht.
So vieles wusste der junge Brite nicht, denn er hatte nie danach gefragt. Zwar hatte er lange gezögert, doch niemals darüber gelogen, wie es mit und in seinem Herzen aussah: waren es kleine Schritte gewesen, welche ihn zu Mairwen hingetragen hatten, welche ihn über die Schwelle ihrer Freundschaft geschoben und an einen Ort aus unbekannten Pfaden zurückgelassen hatte, wo er sich hatte zurecht finden müssen. Indem er schwieg und darum bemüht war, sich selbst zu verstehen – indem er nach Außen hin alles wie immer aussehen lassen wollte, egal was in seinem Inneren vor sich ging und irgendwann war es nicht mehr möglich gewesen. An diesem einen Abend hatten sich zu viele Dinge zugespitzt um noch länger damit leben zu können, verliebt zu sein und kein Wort darüber zu verlieren – irgendwann hatte er mehr aus einem Zwang heraus, wie aus Mut, geredet und es war gut geworden. Alles war so gut geworden, dass er kaum wagte, daran zu denken, weil es ihn vor Glück zu viel sein ließ. Weil er aufgeblüht war, selbst einen weiten Sprung nach vorne getan hatte und unerschütterlich auch über die übliche Schwere manchen Tages in Hogwarts hinweggehen konnte, wenn er nur daran dachte, was er alles in seinem Leben besaß. Er mochte vielleicht nicht sehen können, dafür konnte Philian ungetrübt und ohne Vorbehalte fühlen – er ließ seine Gefühle zu, war nicht einmal in der Lage sie länger auszuschließen und bisher war es damit gut gegangen. Indem er Freunde gefunden hatte, auch wenn es nur wenige waren und nun auch eine Freundin. Immer wieder musste er daran denken, wie es mit Mairwen war. Wie sicher und selbstbewusst er sich in ihrer Gegenwart fühlte und wo er wusste, dass ihm nichts passieren würde, weil er ihr wichtig war. Genauso wichtig wie sie ihm. Sie würden einander nicht verletzen. Niemals.
Eben weil man das nicht machte, wenn man jemanden sehr, sehr gerne hatte. Liebte. Wenn man einander schätzte und man sich wichtig war. Blind wie Philian war hatte er nicht einmal Zweifel an seiner Bindung zu der Ravenclaw, doch diese war auch ehrlich und ungetrübt – nur, wo er immer von sich auf andere schloss, hegte er genauso wenig Zweifel an den Gefühlen von Mairwen ihm gegenüber.
Ein kurzes und nervöses Grinsen huschte über die Züge des jungen Spinnet, während er Mairwen das Päckchen hinhielt, ehe er seine Finger ineinander verkrampfte. Es war nicht so, als hätte er bereits zuvor hundert Mal seine Schwester gefragt, ob das Armband auch wirklich gut aussah und ob keine Muschel kaputt war – sowieso hatte sie irgendwann nur noch genervt aufgeseufzt und nicht mehr geantwortet, woraufhin Philian die Sache auf sich hatte beruhen lassen. Doch war es ihm wichtig. Es war ihm einfach nur wichtig, dass sein Geschenk Mairwen gefallen würde und dass es sie vielleicht ein wenig zum Lächeln bringen würde – dass sie dann, irgendwann, drauf schauen und grinsen würde, weil sie sich genau wie er an diesen Moment erinnerte, wo er es ihr geschenkt hatte.
Wie wenig sich beide später wohl an diesen Moment erinnern wollen würden, ahnte er nicht. Sein Herz klopfte laut in seiner Brust, während er von seinem Urlaub erzählte. „Wie waren Deine Ferien? Du warst daheim, oder?“, fragte er dann, ehe er schwieg.
Einen Moment runzelte Ian die Stirn, als er ihre Worte hörte und er glaubte einfach, dass er sich verhört hatte – dass er irgendwas grade falsch verstand oder etwas schief gegangen war. Unruhig wippte er mit einem Fuß auf und ab. „Oh – oh .. war es das Falsche? Ich – ich habe für Ryleigh auch etwas mitgebracht, aber .. eigentlich – verzeih, ich habe – Dein Geschenk im Koffer?“, entwich es ihm unsicher, während er bereits aufstand, um sich auf die Bank zu knien, damit er an seinen Koffer rankam, um das richtige Päckchen raus zu holen. Dabei war er sich sicher gewesen, dass er darauf geachtet hatte.
Bis zu dem Moment, wo er ihre Stimme hörte.
Er musste gar nicht den Blick der anderen sehen, um die Stimmung mehr als deutlich zu spüren, denn diese ließ selbst Philian innehalten. Seine Hände sanken langsam hinab, während er sich unverrichteter Dinge wieder auf die Polster sinken ließ. Doch schwieg er – er brach die Pause nicht, schien vielmehr zu warten .. denn es war nichts Schlimmer wie die Gewissheit, dass etwas nicht stimmte ohne benennen zu können, was es war. Philian wippte wieder mit dem Fuß auf und ab.
„Griselkrätze“, murmelte er dumpf. Vermutlich hätte er auch jedes andere Wort nehmen können, welches durch seinen leergefegten Kopf rannte und sich zu verstecken suchte – eines der anderen armen Überbleibsel von etwas, dass langsam brach und dafür doch ziemlich rasant in sich zusammenfiel. Philian war nicht da; er saß nicht hier auf diesem Polster einem Menschen gegenüber, den er liebte und er der ihm – etwas gesagt hatte. Das war nicht er.
Nicht sein Leben, in dem etwas Schlimmes passierte. Sonst stand er immer nur am Rande und fing die Geschädigten auf, um sie vor dem Fall zu bewahren.
Er merkte seine eigene Anspannung just in dem Moment, wo ihre Fingerspitzen seine Hände berührte und aus Reflex zog er seine Arme zurück. Mit einem einsamen Geräusch fiel das Armband zu Boden.
„Aber – ich liebe Dich doch“, entwich es ihm fassungslos und leise. Philian hatte immer geglaubt, dass damit alles erklärt war. Dass Liebe eben die Antwort für so vieles war, was ihr Leben bestimmte. Sie mochte es sein, doch dass die Antworten grausam waren, damit hatte er nicht gerechnet.
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