MISCHIEFmanaged (https://archiv.mischief-managed.de/index.php)
- boardid4 (https://archiv.mischief-managed.de/board.php?boardid=163)
--- Pensieve (https://archiv.mischief-managed.de/board.php?boardid=786)
------ dezember 2022 - Februar 2023 (https://archiv.mischief-managed.de/board.php?boardid=1086)
------- Homes (https://archiv.mischief-managed.de/board.php?boardid=1089)
-------- it ain't about the complications (https://archiv.mischief-managed.de/threadid.php?threadid=13299)
it ain't about the complications
Zum Glück war er wenigstens jetzt ja nicht für irgendwelche dummen Viecher unterwegs, sondern kurz vorm Anwesen der Bletchleys gelandet, um jetzt zum Haus hinauf zu stapfen. Er hatte noch nie versucht auf das Gelände selbst zu apparieren, vermutlich würde es gar nicht funktionieren wie bei den meisten Grundstücken von Zaubererfamilien, aber zumindest konnte er jetzt nach den Jahren behaupten, dass er den Weg in und auswendig kannte. Früher war er öfter hier gewesen. Als Lachlan und er noch selbst zur Schule gegangen waren, als er noch mit dem Ältesten der Familie herumgehangen hatte. So hin und wieder. Und danach, seit Lachlan längst nicht mehr wie ein Mama-Söhnchen zuhause wohnte, dann war Dexter auch weniger aufgetaucht. Auch wenn der Kontakt zu dieser Familie im Allgemeinen nicht abgebrochen war. Irgendwann hatte es sich eben mehr ergeben, dass er Isobel hin und wieder sah. Dann mal wieder Lachlan. Nate eigentlich eher weniger. Und das mit Isobel war eigentlich auch nicht allzu häufig…selten… mehr so eine Ferien-Freundschaft, wo sie sonst doch in Hogwarts unterwegs war.
Aber das passt auch schon. Dexter war niemand, der ohnehin täglich mit seinen Freunden herumhing, war nicht die Geselligkeit in Person und nun, nachdem die Dinge um sie herum in Bewegung gerieten, konnte er sich in der Regel auch nicht darüber beschweren, dass er unterbeschäftigt war.
Kurz hob er den Blick, den er starr auf seine Füße gerichtet hatte – wie sich das dunkle Braun seiner Stiefel vom leichten Weiß des Bodens abhoben - und leckte sich über die Lippen. Nah, ob er gerne hier sein würde, das würde sich noch zeigen. Haus voller Kinder, nachdem er wusste, dass auch Lestranges bei den Bletchleys untergekommen waren, und das auch noch um die Weihnachtszeit? Er wusste schon, warum er gerne bei sich zuhause rumhing. Ohnehin war Weihnachten so verschwendet, wann hatte es das bei Montague jemals richtig gegeben? Würde es bestimmt nicht. Eine dysfunktionale Familie, in der es jetzt Halbblut-Nachwuchs gab – widerlich – und die Jüngsten ohnehin nicht mehr dort wohnten – Frechheit. Zu Dexters Glück war er nicht der Weihnachtsmensch, da kam man auch nicht auf die stumpfsinnige Idee etwas zu vermissen. Kam er nicht. Er war allerdings noch einen Katzensprung vom Haus selbst entfernt, als er gegen den leichten Schneefall erkennen konnte, wie die Tür sich öffnete. Er erkannte dunkle Haare, die auf ihn zugelaufen kamen. Mit einem leichten, schiefen Grinsen schüttelte Dexter den Kopf, marschierte Isobel weiter entgegen, geradewegs in ihre Arme hinein. Ja, eindeutig Isobel. Bei jedem anderen hätte es ihm deutlich mehr die Nackenhaare aufgestellt, wenn man ihn Dex nannte und er hätte unwillkürlich genervt das Gesicht verzogen. Es gab ein paar Ausnahmen, bei denen das in Ordnung war und Isobel Bletchley gehörte dazu.
Ein wenig überrascht sah er auf die jüngste Bletchley hinab, wie sie ihn umarmte, der Ausdruck recht deutlich auf dem Gesicht, bis das kurze Grinsen wieder zurückkehrte und er ihr – es sah deutlich unbeholfener aus, als es sich anfühlte – kurz auf den Kopf tätschelte: „Na, Kleine, was gibt’s?“
Wenn die Schneeflocken sich in den Zweigen und Ästen der Bäume verfingen und sich mehr und mehr auftürmten. Wenn die Wintersonne den Schnee auf Boden und Pflanzen, Dächern und Mauern schimmernd glitzern ließ, dann liebte sie den Winter. Wenn sie bis unter die Nasenspitze warm angezogen und eine wollige Mütze auf dem Kopf trug und ihre Wangen ganz rosig wurden, weil ihr der kühle Wind ins Gesicht pustete, dann konnte sie glatt stundenlang spazieren gehen. Isobel liebte die klare Luft gepaart mit der doch ein wenig wärmenden Sonne. Wenn der Wind durch ihr langes, dunkles Haar pustete. Das nach Hause kommen war dann sogleich noch viel schöner. Wenn sich die vom Kamin gewärmte Luft um sie legte und ein dampfender Becher mit heißer Schokolade dafür sorgte, dass sie auch von Innen wieder auftaute. Gestern erst hatte sie mit ihrem älteren Bruder einen dieser endloslangen Spaziergänge gemacht. So wie sie es schon seit Jahren immer wieder taten und oftmals erst eine Ewigkeit später nach Hause kamen – durchgefroren und doch zufrieden. Natürlich gab es allerlei Zauber, welche sie vor der Kälte bewahrt hätten doch… wenn sie ganz ehrlich war, dann mochte sie es gerade bei diesen Spaziergängen keinen Wärmezauber zu nutzen, sondern sich bis zur Nase warm einzupacken. Es gab genügend andere Augenblicke in welchen sie jene Zauber nutzen konnte, doch nicht in Augenblicken wie eben diesen. Gleichzeitig kannte Isobel jedoch auch genügend Menschen, die unter den normalen Umständen nicht ewiglange draußen herumliefen, durch knöchelhohen Schnee stapften und geschweige denn Spaß daran hatten. Doch sie hatte es. Tatsächlich.
Allerdings würde sie um diese Uhrzeit nun nicht mehr das Haus verlassen um einen Spaziergang im frisch fallendem Schnee zu unternehmen. Nicht, wegen der Uhrzeit selbst, allerdings auf Grund eben jener Tatsache, dass es dort draußen furchtbar dunkel war und Isobel dann nicht unbedingt mehr Zeit als nötig in der Finsternis verbringen wollte. In der Sicherheit ihres Zimmers, welches von lauter Kerzen erhellt wurde, da war es absolut okay, wenn sie hinausblinkte und dem Schneegestöber dort verträumt zuschaute, während die Nacht das Haus und den Garten so einhüllte. Doch sie war so viel erleichterter, so viel zufriedener, als sie endlich hinunterlaufen konnte. Vermutlich hätte sie sich zuvor zumindest eine Jacke überziehen können, die wenigen Sekunden hätte der Montague vermutlich auch noch Zeit gehabt, allerdings überwog die Vorfreude der Hexe viel zu sehr und sie öffnete die Tür noch ehe sie überhaupt an eine Jacke hatte denken können. Zumindest ein paar Halbschuhe trug sie und lief nicht einfach barfuß über die dünne Schneedecke auf den Älteren zu, der hier tatsächlich hergekommen war. Wobei sie sicherlich auch das getan hätte, wenn sie dafür noch ein wenig schneller beide Arme um ihn hätte legen können. Es war eine merkwürdige Freundschaft zwischen ihnen beiden und so recht wusste Isobel nicht, wann Dexter weniger Lachlans und mehr ihr Freund geworden war, aber sie wollte es nicht mehr vermissen, wollte den hochgewachsenen Mann nicht aus ihrem Leben streichen. Sie hatten nicht viel Zeit, welche Dexter und Isobel wirklich miteinander verbringen konnten. Es gab kaum ein Hogsmeade-Wochenende an welchem sie nicht mindestens einen, doch meist beide Tage mit dem Montague verbrachte und nur ungerne zurück ins Schloss ging. Manchmal auch gar nicht, auch wenn das niemand so wirklich wusste.
Meist sahen sie sich doch letztlich in den Ferien. So wie in diesen. Heute. Wo sie ihn nach dem Abendessen mit der Familie gefragt hat ob er sie nicht besuchen kommen wollte. Und Dexter hatte sich einfach auf den Weg gemacht, sobald er eben gekonnte um hierher zu kommen. Dabei war Lachlan nicht einmal in der Nähe der großen Villa und er kam doch für sie hier her. Sie spürte wie der Schnee auf seinem Mantel schnell durch den Stoff ihrer Bluse schmolz, weil sie viel Wärmer war, als die kühlen Flocken. Doch es war ihr reichlich egal und einen Augenblick brauchte sie eben. Es war Wochen her seitdem sie sich zuletzt gesehen hatten. Viel zu lange hatte sie Dexter schon vermisst. Seine große Hand an ihrem Kopf ließ sie ein wenig Schmunzeln und langsam löste sie sich von ihm. „Es ist furchtbar öde hier…“, seufzte sie leise auf. „Das Haus ist voll mit kleinen Kindern und ich habe das Gefühl ich geh ein!“ Isobels Lippen verzogen sich zu einem Schmollmund, während sie mit ihm zur Haustür und zurück in das Innere des großen Hauses trat, wo sie dann doch aus ihren Schuhen schlüpfte. „Tee? Feuerwhisky?“, lachte sie ihm entgegen und deutete mit einem Kopfnicken auf das Wohnzimmer. „Mein Dad ist oben und belagert nicht wie so oft das Wohnzimmer.“ Mit leicht zur Seite geneigtem Kopf musterte sie das vertraute Gesicht des Montagues. „Wir haben auch noch etwas vom Abendessen da, falls du Hunger hast!?“
Heute hatte es sich dann doch einmal als nützlich erwiesen. Sollte ja auch mal vorkommen und schlussendlich standen sie hier im Schnee, ließen sich einschneien, während sie sich umarmten, als hätten sie sich Ewigkeiten nicht gesehen. Vielleicht war das so. Schon eine kleine Weile. Dafür konnten sie in den Ferien praktisch täglich aufeinander sitzen. Könnten. Würde Dexter nicht arbeiten und Isobel auch andere Dinge zu tun haben. Aber wo man sich unter dem Schuljahr nicht sah, das glichen die Ferien in der Regel ganz gut aus, wie Dexter fand. Dennoch ließ er Isobel diese Umarmung, auch wenn er eigentlich nicht so der Umarmungs-Mensch war. War in seinem Leben einfach zu selten vorgekommen. War ja nicht so als wären im Hause Montague in seiner Kindheit haufenweise Umarmungen verteilt worden. Ganz bestimmt nicht. Woher sollte er es dann haben? Weil er sich in Hogwarts mit seinen Freunden dauernd in den Armen gelegen hatte? Auch eher unwahrscheinlich. Da war man schon viel zu alt und vernünftig für solchen Unsinn gewesen, man hatte besseres zu tun gehabt. Umarmungen gingen, wenn man 4 Jahre oder so war, danach war das Fenster eben geschlossen und dann gab es so die ein oder andere Ausnahme, wozu dieser Moment hier zählte, die konnten dann mal vorkommen und man musste seinen Gegenüber nicht gleich abschütteln.
Ein hüstelndes Lachen kam Dexter über die Lippen und er schüttelte den Kopf: „Ich bin mir sicher, du bist Kinder von der Schule gewöhnt.“ Wuhu, Ferien und man hatte das Schul-Feeling praktisch mit nach Hause gebracht. War doch was Feines. „Wieso unternimmst du dann nicht einfach was?“ So geistreich Mr. Montague. Darauf war Isobel sicher noch nicht selbst gekommen. Er hatte die Hände längst wieder in die Taschen seines Mantels geschoben, folgte Isobel die letzten Schritte – zumindest für ihn mit seinen schlacksigen Beinen – zum Haus. Grob stampfte er am Eingang die Schuhe ab und das war es auch schon, was er an Rücksicht für den sauberen Boden im Haus walten ließ. Er könnte die Schuhe ausziehen – nope – oder sie zumindest sauber und trocken zaubern – nope und so wie sie aussahen, hatte er das eigentlich noch nie wirklich getan -, wer achtete schon schließlich auf den Boden, gerade wenn man Hauselfen hatte, die er gerade mit seinem schweren Mantel belud, sodass sie ins Straucheln kam. „Feuerwhiskey.“ Was für eine Frage. Natürlich. Dexter war noch nie wirklich ein Teetrinker gewesen. So unbritisch es auch war.
Bei Isobels Worten huschte sein Blick einmal kurz die Treppe entlang, ehe er in das Wohnzimmer eintrat und sich plump auf das Sofa fallen ließ. War ihm ganz recht, dass er hier nicht auf irgendwelche Eltern traf. Das gab immer nur alberne Vorstellungen, brauchte keiner. Cordelia Bletchley hatte er schließlich schon oft gesehen, war ja unvermeidbar, wenn man mit Lachlan abhing und dann auch mal hier auftauchte, aber um Miles Bletchley hatte er sich bisher recht gut herumgedrückt und von ihm aus konnte das so bleiben. Nicht weil Dexter glaubte, dass der andere eine besonders eindrucksvolle Erscheinung war, einfach weil die wenigsten Eltern begeistert waren, dass man mit Montagues abhing. Reinblüter und doch nicht Teil davon, das traf die Familie so ziemlich. Auf der anderen Seite: was kümmerte es Dexter, was der Vater von Isobel, die volljährig war, von ihm dachte, wo sie nur befreundet waren. Könnte ihm kaum egaler sein. „Danke“, schüttelte er nur ablehnend den Kopf. „Passt schon.“ War nicht als bräuchte er Essen. Tief atmete Dexter die warme Luft ein, als er sich einmal umsah, als erwarte er, dass die besagten Kinder gleich aus irgendeiner Ecke sprangen, so wie es gefühlt bei Montagues früher zuhause immer gewesen war. „Ist doch ganz ruhig hier?“
Es hatte genug Tage gegeben, in welchen sie Dexter von Wizzys und ihrem Nutzen erzählt hat und der Meinung war, dass er ebenfalls einen brauchte. Vielleicht hatte er das nicht unbedingt genauso gesehen und trug sein Wizzy auch nicht ständig mit sich herum so wie es Isobel war, aber vielleicht waren das eben doch die paar Jahre Unterschied zwischen ihnen beiden die dafür sorgten, dass Isobels Interesse daran so viel größer war, als das von dem Älteren. Kein Wunder also, dass ihm so ein halbzerfleddertes, unhübsches Heftchen ausreichte. Aber Dexters Werte lagen einfach woanders… scheinbar. Doch sie konnte damit leben, weil sie ihn nicht anders kannte und er letztlich eben schon erwachsen war, während sie selbst noch in den letzten Jahren ihrer Jugend stand und eben auf diesen ganzen neumodischen Kram doch irgendwie stand. Aber zumindest hatte sie feststellen können, dass Dexter es eben ab und an doch nutzte. Zwar schrieb Isobel ihm viel mehr, als er es jemals tun würde, aber… er tat es und sie konnte nicht anzweifeln, dass es sie nicht froh stimmte seine Worte zu lesen, wenn er mit ihr schrieb. Und damit war doch der wichtigste Nutzen auch schon vollkommen klar – er konnte mit Isobel schreiben, denn… wieso sollte man das auch nicht wollen? Und wenn er letztlich bloß noch die eine Pergamentseite besitzen würde auf welcher er mit ihr schrieb, dann wollte sie auch damit zufrieden sein. Auch wenn das nichts daran änderte, dass das geduldige Warten ihrerseits lediglich eine äußere Erscheinung war, denn innerlich war sie mehr als aufgeregt und sprudelte über vor lauter Vorfreude – allerdings war die junge Hexe absolut bemüht nicht nervös auf und ab zu laufen, denn… nun, sie konnte sich bessere Dinge vorstellen, als ihren Vater, der wenige Meter weiter in seinem Büro saß zu provozieren.
Isobel vermisste Menschen oftmals so viel schneller, als jene andere sie. War vielleicht auch bloß so ein Mädchending, aber… sei es ihr Vater damals gewesen, welchen sie doch kaum kannte oder ihr beiden Brüder, als sie beide nach Hogwarts gingen und sie selbst ein Jahr lang mit ihrer Mutter, den Großeltern und einem Rudel Hauselfen alleine gelebt hat. Ja, natürlich nicht vollkommen alleine, doch trotzdem hat sie Nate und Lachlan jeden Tag ganz schmerzlich vermisst. So musste es wohl oder übel dazu kommen, dass sie auch Dexter mittlerweile vermisst hatte. Ob sie dabei seine personal bubble vollkommen missachtete oder es für ihn in Ordnung war, dass sie ihr Gesicht bei der Umarmung an seiner Brust vergrub… es war ihr egal. Er würde sowieso nichts dagegen sagen, würde es selbst, wenn er es nicht mochte, einfach hinnehmen, denn das tat er schon immer. Wie viele Male sie in den letzten Jahren um seinen Hals gehangen hatte, sich gegen seine Schulter hat fallen lassen oder sich mit ihm geneckt hatte… Die bloße Vorstellung, dass er es nicht mochte, oder eben jene Dinge nie so geschehen wären, ließen sie ihre Lippen leicht verziehen und erweckten ein merkwürdiges Bauchgefühl. Nein, Isobel mochte dieses Privileg, welches sie nun einmal besaß und sie mochte es, wenn auch der Ältere seine Arme um sie legte. Ein merkwürdiges Gefühl von Vertrautheit kam jedes Mal aufs Neue auf.
Ein leichtes Rollen mit den nussbraunen Augen konnte sich die Hexe nicht verkneifen. Natürlich war sie jüngere Kinder aus der Schule gewöhnt, allerdings reichte es auch, wenn die dortblieben. Sie musste nicht drei davon mit nach Hause nehmen. Isobel war immer froh gewesen, dass ihre Brüder älter als sie waren und sie das Nesthäckchen ihrer Familie war und jetzt? Mehr als bloß ein verächtliches Schnauben hatte sie für den Trubel nicht unbedingt übrig. „Und? Ich muss mir deswegen doch keinen Zoo voll kleiner Kinder zu Hause halten, oder?“, gab sie sarkastisch von sich, verzog ihre Lippen ein wenig. Nah, begeistert war sie einfach nicht davon. Vielleicht hätte sie ebenso wenig begeistert davon sein sollen, dass Dexter wie ein Kamel durch das Haus der Bletchleys stiefelte und Dreck und Matsch auf dem teuren Dielenboden verteilte. Andererseits… nun, es gab genug Hauselfen die nur darauf warteten ihnen hinterher zu wischen und vermutlich auch Dexters Stiefel selber auf Hochglanz polieren würden. Isobel jedenfalls verzog zwar ein klein wenig ihr Gesicht, doch ging sie schließlich mit dem Montague in das andere Zimmer. Während sie selbst schon auf die Polster der Couch gesunken. Um die Getränke würde sich schon der aufmerksame, kleine Hauself kümmern. Mit ihrem Arm stützte sie sich leicht an der Rückenlehne ab, hatte sich zu ihm gedreht. „Ich hab sie ja auch im Keller eingesperrt!“, meinte sie naserümpfend und warf einen kurzen Blick zur Tür. Vielleicht wäre das wirklich ein Plan, denn tatsächlich hatte sie jetzt noch niemanden irgendwo eingesperrt. Aber wenn man genau hinhörte, dann konnte man im Obergeschoss doch Schritte und Kichern hören. Ein durchaus genervtes Seufzen entwich ihr. Der kleine Hauself kam mit einem silberfarbenem Tablett zu ihnen – ein Glas mit dem teuersten Feuerwhisky, welchen man im Hause Bletchley finden konnte und eine dampfende Tasse von Isobels Lieblingstee. „Hast du Weihnachten mit Matt verbracht?“, fragte sie Dexter schließlich leise, blickte ihn über den Rand ihrer Tasse hinweg an.
Und das war der Schlüssel zu dem Geheimnis niemanden vermissen zu müssen, wenn man sich eben auf sich selbst verließ, vielleicht ein winziges, hauchfeines bisschen auf Matt, den man aber – ehrlich mal – mehr aus der Scheiße zog, als dass der Trottel auf zwei Beinen hilfreich war. Nicht anders heute als vor ein paar Jahren.
„Würd ja sagen, man gewöhnt sich daran, aber das ist gelogen“, meinte Dexter mit einem Schulterzucken. Er war sechs Jahre lang ein Einzelkind gewesen, bevor die Zwillinge da gewesen waren und danach war ja nicht einfach Schluss gewesen. Natürlich nicht. Aber wenn man auch bedachte, als was Matt sich entpuppt hatte, natürlich hatte man da versuchen müssen noch etwas Vernünftiges in die Familie zu bekommen. Konnte ja nicht sein, dass er alles alleine schultern musste. Auch wenn er es tun würde. Sicher würde er das. Wenn er dafür wieder ein Einzelkind gewesen wäre? Es hätte ihm selbst sicher einiges an Ärger erspart, wenn da nicht der Unsinn von Matt gewesen wäre, der ihren Vater auf die Palme gebracht hatte. Es wäre ganz bestimmt anders gelaufen, wenn der Jüngere nicht ein solcher Spinner wäre.
Isobel war zwar kein Einzelkind gewesen, aber das letzte der Familie. Das war vermutlich vergleichbar. Danach kam nun einmal nichts. Die Aufmerksamkeit nach oben wurde eher geringer, je jünger die Geschwister wurden, zumindest nach Dexters Erfahrung und Isobel hatte da ja dann praktisch keine Konkurrenz gehabt, bis sie eben diese Plagen im Haus hatten. Ohne auch nur eines der Kinder zu kennen, auch nur ein Wort mit ihnen gewechselt zu haben, war sich Dexter sicher, dass diese Beschreibung zutraf. Wie alt waren sie? Noch elf? Konnte nicht angenehm sein. „Würdest du dich sowieso nicht trauen“, grinste Dexter und schüttelte den Kopf. Als würde Isobel irgendjemanden in den Keller einsperren. „Findet Daddy bestimmt nicht gut“, feixte er und schüttelte etwas abfällig den Kopf. Als wäre das ein Grund, der einen abhalten konnte. Leicht hob sich sein Blick zur Decke, als über ihnen Schritte zu hören waren. Nein, hatte er zuhause wirklich nie vermisst. Er war immer froh gewesen, wenn sie alle in Hogwarts gewesen waren nur er nicht mehr.
Mit einer Hand nahm er der Hauselfe das halbhohe Glas ab, drehte es einmal in der Hand und nahm einen Schluck ehe er die Flüssigkeit vor sich betrachtete. Ohne Frage besser als das, was er gewohnt war und selbst das reichte aus. Um des Alkohols wegen war das schließlich. Dafür war das ja fast ein bisschen zu schade. Dexter schnalzte mit der Zunge und lachte höhnisch auf, ehe er mit einer Hand über sein unrasiertes Kinn fuhr und sarkastisch nur so triefte: „Sicher. Ich hab‘ Weihnachten mit Matt gefeiert. Und Kitty und den ekelhaften Abschaumbälgern.“ Hatte er natürlich nicht. Dexter rümpfte angewidert die Nase. Halbbut-Kinder. Es war wirklich eine Schande. Eigentlich müsste man die beiden ertränken, solange sie sich noch wenig wehrten. Ein Grummeln entwich ihm, als er noch einmal den Kopf schüttelte, als könnte er noch immer nicht glauben, dass das bei Montagues passiert war. „Bei dir? Was Schönes bekommen? Noch ein paar Ersatzgeschwister?“
Unterschiedlicher könnten sie beide wohl nicht sein, nicht denken. Während Isobel so viele Dinge noch im guten Glauben sah, die Hoffnung in ihrem Herzen besaß, dass es einen positiven Ausgang hatte war Dexter viel realistischer… vielleicht auch… pessimistischer? Sie wusste es nicht genau, aber es war ganz klar, sie beide waren wie Tag und Nacht und doch gab es niemanden, den sie lieber um sich herumhatte, mit dem sie lieber ihre Freizeit verbrachte. Es war zu wenig Zeit die sie füreinander hatten, haben konnten. Wenn man die Slytherin fragen würde, oh sie würde ihn am liebsten vom ersten Tag der Ferien bis hin zum letzten bei sich haben. Das Anwesen der Bletchleys wäre groß genug für einen weiteren Gast und im Notfall würde sie schon dafür sorgen können, dass es einen Platz für ihn gab. Im Notfall wäre ihr eigenes Zimmer sicherlich groß genug. Wenn man sie fragen würde, dann würde sie allerdings auch sicher sein, dass sie ihm fehlte. So wie er ihr fehlte. Wenn sie sich nicht Tag für Tag sahen und manches Mal ein ganzer Monat verging, bis sie das nächste Mal in seiner Gegenwart war. Isobel glaubte tatsächlich, dass sie einen ganz besonderen Platz im Leben des Älteren hatte. Egal wie unterschiedlich sie nun waren, wie unterschiedlich sie auch bleiben würden in den nächsten Jahren. Eines waren sie beide ganz sicher: unzertrennbar. Das würde Isobel nicht zulassen, nicht einmal wenn es Wunsch ihrer Mutter oder gar ihres Vaters wäre.
Unzufrieden rümpfte sie ihre Nase, als er ihr verdeutlichte, dass man sich nicht unbedingt an jüngere Geschwister gewöhnen würde. Das war nicht die zufriedenstellende Antwort welche sie sich von ihm erhofft hatte. Aber was sollte sie letztlich auch erwarten. Sie wusste um die Einstellung von Dexter gegenüber seiner Familie, seinen Geschwistern und wenn sie selbst an seine jüngeren Geschwister dachte – sie kannte schließlich sowohl die Zwillinge, als auch die beiden Jüngeren – dann empfand sie zum Großteil auch keine allzu positiven Gefühle. Fremdschämen traf bei den Töchtern der Montagues in Isobels Augen viel eher zu. Da wusste sie nicht einmal ob sie Matts Zwillingsschwester mit den Halbblutgören oder die Tatsache wo die beiden anderen lebten schlimmer fand. Ihr war keineswegs verständlich wie man so… werden konnte, wenn man doch eigentlich die richtigen Grundlagen im Leben hatte. Zumindest Dexter hatte alles richtig gemacht, war nicht so missraten. Glücklicherweise, denn Isobel zweifelte tatsächlich an, dass sie dann so viel Zeit mit ihm verbringen würde. Doch jetzt im Moment nagte diese Tatsache an ihr, dass drei – eigentlich ja vier – Kinder sich in ihre Familie gedrängt haben. Es würde sie so sehr verletzen, wenn man sie vollkommen von ihrem Platz stieß, wenn sie keinerlei Chance mehr hatte an ihren Vater heranzukommen. „Das glaubst du“, gab sie leise schnaubend von sich. „Vielleicht werfe ich sie auch direkt einem Troll zum Fraß vor!“, murmelte sie vor sich hin, boxte dem Älteren gegen seinen Oberarm. „Oder schick sie dir mit nach Hause, wenn dir das lieber ist!“ Mit einem leichten Grinsen hob sie ihre Augenbrauen an. „Ach, als würde Dad mir da so sehr widersprechen… und selbst wenn, dann… ist mir das egal.“ Sie schnaubte leise auf.
In einem stillen Augenblick war der Hauself gekommen um ihnen die Getränke zu bringen und die Wärme der Teetasse ging sogleich auf ihre Finger über, als er ihr so sarkastisch auf ihre Frage antwortete. Ein wenig trat ihm die Brünette gegen sein Bein und reckte ein wenig ihr Kinn hervor. „Ich kann nichts dafür, dass deine Familie so missraten ist.“ So gemein ihre Worte auch klingen mochten… es beruhte ja nun einmal auf Tatsachen. Doch um den Frieden nicht zu zerstören – als ob sie das jemals könnte! Hallo? – rutschte sie ein wenig zu dem Montague hinüber und lehnte sich mit ihrem Arm gegen den seinen. „Nicht so wirklich. Einen neuen Besen, mein anderer ist schon uralt und ja.. leider neue, widerwertige kleine Kinder. Ich weiß nicht was das soll“, brummte sie vor sich hin, „am besten komme ich nachher mit zu dir, ehrlich!“, beschwerte sich Isobel weiterhin über die aktuellen Umstände. „Nimmst du mich mit?“
Da konnte sie noch so sehr ihre Nase rümpfen und dabei weniger ernst aussehen, wie sie es vielleicht gerne hätte, wie sie wollte. „Und den Troll hast du im Garten draußen?“, grinste Dexter weiter. Es war lustig für ihn anzusehen, wie Isobel sich über dieses scheinbare Problem echauffierte. Für ihn vermutlich nur lustig, weil er nichts damit zu tun hatte. Nicht seine Familie. Nicht sein Zuhause. Nicht sein Problem. „Du kannst es mir ruhig verraten, dann weiß ich wenigstens schon, bei wem ich nächste Woche aufschlagen muss, um Haustiere zu entsorgen.“ Sein Grinsen wurde noch etwas breiter. Ja, Dexter mochte seine Arbeit wirklich. Bereite ihm mehr diebische Freude, als man vermutlich bei so etwas empfinden sollte. Schnarrend verzog Dexter das Gesicht und schüttelte den Kopf: „Kannst du behalten, wir sind unsere Bälger gerade losgeworden.“
Sein Gesicht erstarrte etwas und er kniff leicht die Augen zusammen. Es war weniger ärgerlich um seine Geschwister an sich, mit denen hatte er nichts zu tun gehabt, war teilweise viel zu alt, um mit ihnen Zeit verbracht zu haben, um auch nur den Ansatz des Gefühls zu entwickeln, dass er sich kümmern musste. Nicht so wie bei Matt … bei Kitty war es ja schon deutlich weniger gewesen. Aber die hatte in seinen Augen ja auch nie so ein Problem dargestellt wie sein bescheuerter Bruder. Dass es die Jüngsten von ihnen geradewegs in die Arme von Weasleys gespült hatte, das war noch immer ein widerlicher Gedanke, der einem die Galle aufsteigen ließ. Sollte er sich wirklich noch etwas einfallen lassen, was man dagegen tun konnte, wenn ihre Eltern so wenig gewillt dazu waren. Montagues bei Weasleys. Widerlich. Die Oberlippe zuckte ihm nach oben, ehe er sich Isobel deutlich ernster zuwandte und skeptisch zu ihren Armen sah, wo sie ihn zuvor geboxt hatte: „Werf sie lieber dem Troll vor…vielleicht hast du dann nicht weiter solche Spaghettiärmchen wie Matt.“ Damit konnte man doch wirklich niemand jemandem vorwerfen. Das Schmunzeln kehrte zart wieder auf sein gesicht zurück.
Unkommentiert ließ er es, dass seine Familie missraten war. Ehm hallo? Montagues waren nicht schlecht. Nur in sehr viel Mist aktuell. Nicht seine Schuld. Er rollte etwas den Kopf in den Nacken, legte ihn auf der Rückenlehne ab und sah die Brünette mit einem Blick a la ‚Aber deine Familie oder was?‘ an, ehe er den Blick ohne einen weiteren Kommentar zum Beweis gen Decke richtete. Er sagte nur Bälger ins Haus nehmen. Wie bei Weasleys war das. „Vielleicht wollen sie ihr kleines Mädchen ersetzen?“, zuckte Dexter die Schultern, nahm einen weiteren Schluck. „Weil du nicht mehr so klein bist?“ War sie nicht. Und das, was über ihre Köpfe trampelte, das war es anscheinend. Aber was wusste er schon? Und noch immer war es lustig, wie Isobel es nicht müde wurde sich zu beschweren. Dexter stellte das Glas auf seinem Oberschenkel ab, drehte sich etwas mehr zu der Bletchley und stützte seinen Kopf gegen die Hand: „Und dann langweilst du dich den ganzen Tag bei mir, wo ich nicht da bin?“ Prüfend hob er die Augenbrauen. Klang doch nach einem super Plan. „Kitty braucht bestimmt einen Babysitter.“ Wieder nahm er einen Schluck. Jap, er nahm Isobel gerade nur hoch, natürlich meinte er es nicht ernst, war sich einfach sicher, dass sie übertrieb.
Nein, sie erwartete keine Lügen von Dexter. Würde sie niemals, war es doch etwas, was sie so sehr an dem Montague schätzte. Seine Ehrlichkeit, auch wenn das vielleicht nicht stets genau das war, was sie sich erhoffte zu hören. Doch letztlich wusste sie doch eigentlich immer woran sie bei ihm war, was sie von ihm erwarten konnte. Aber dann… wollte man manchmal ja eben doch nur, dass einem Worte die Seele streichelten, auch wenn sie eben nicht ganz so ehrlich waren wie man es vielleicht mochte. Irgendetwas aufbauendes hören. Andererseits – er hatte ja recht! Absolut. Es würde nicht besser werden. Nicht mit den kleinen Monstern, die da oben herumgeisterten, als wären sie keine Kinder, sondern kleine, widerwertige Poltergeister. Isobel konnte Peeves nicht ausstehen, da kam sie auch nicht mit denen da oben zu recht. Natürlich war es Familie, ganz besonders die kleinen Lestrangegören, aber… sie hatte eben kaum Kontakt zu ihnen gehabt in ihrem Leben, weil… nun eigentlich wusste sie nicht einmal so recht weshalb ihre Tante und ihre Mutter kaum Kontakt zueinander gehabt haben und die Drillinge erst jetzt, nach dem Tod der Eltern, hierhergekommen sind. War trotzdem nicht unbedingt nötig gewesen, also bitte. Aber gut, irgendwie kam sie damit noch eher zurecht, als mit dem kleinen, adoptierten Kerl, den sie zwar mal auf den Fluren gesehen hatte, aber dem sie sonst keinerlei Bedeutung zugerechnet hatte. Und jetzt waren sie alle hier. In ihrem zuhause. Isobel war froh, wenn der Zeitpunkt kommen würde, an welchem sie ausziehen konnte. So wie es einige ihrer Freunde schon längst taten. Oder getan haben. Nur sie lebte noch unter dem Dach ihrer Eltern und trug noch keinen glitzernden Verlobungsring an ihrem Finger.
„Oh ja, hast du ihn beim rein kommen nicht gesehen? Er schläft gerade im Vorgarten!“, witzelte auch sie über den Troll, der tatsächlich nicht im Vorgarten stand. „Er ist vier Meter groß, Dexter, wenn du den übersehen hast fange ich wirklich an, an dir zu zweifeln.“ Beide Augenbrauen hochgezogen bedachte sie ihn mit einem langen Blick. „Und ich glaube nicht, dass du meinen Troll… entsorgst.“ So ernst sie in jenem Augenblick auch sein wollte, Isobel schaffte es nicht und so wanderten ihre Mundwinkel in die Höhe und ein sichtlich belustigtes Grinsen lag auf ihren Lippen, ehe sie schon beinahe enttäuscht aussah. „Schade. Ich will die nämlich auch nicht haben. Hab dich für viel aufopferungsvoller gehalten, Dex“, brummelte sie vor sich hin, legte ihren Kopf ein wenig zur Seite. Jaja, er hätte viiiiel mehr Einsatz zeigen können um sie hier mal zu retten. Isobel würde wirklich viele Dinge tun um ihr altes Leben zurück zu bekommen. In dem es nur Lachlan und Nathaneal und Isobel gegeben hat. Auch wenn es merkwürdige Augenblicke mit dem ältesten Bruder gegeben hat, auch wenn sie dem anderen viel mehr vertraute. Aber die beiden waren echt okay. Lieber würde sie Lachlan wieder im Haus haben, als die anderen alle. Aber gut, diese Entscheidung hatte sie scheinbar nicht zu treffen. „Hey!“, kam es empört von ihr. „Willst du mir sagen, dass ich schwach bin?“ Geradezu vorwurfsvoll blickte sie ihn an und einige Male mehr boxte sie ihm mit den zierlichen Fäusten gegen seinen kräftigen Oberarm. Jah, sie war jetzt nicht unfassbar stark, aber so etwas ließ sie ja mal nicht auf sich sitzen!
Nun, vielleicht war das wirklich nicht so charmant von ihr gewesen so gegen seine Familie zu sprechen, allerdings war der Stammbaum der Familie Montague ja schon seit geraumer Zeit nicht mehr das, was er eigentlich mal sein sollte. Vorzeigbar und nicht komplett vermurkst. Ein Wunder, dass Dexter kein totaler Schaden, sondern einfach nur wundervoll war. Und sie sah seinen Blick, als sie an ihm lehnte und zu ihm aufblickte, grinste ihn mehr als nur frech an. „Hey, hast du mich mal angeschaut?“, fragte sie ihn. „Ich bin wundervoll!“ Gar nicht überheblich oder so, aber Isobel kannte doch letztlich ihren Wert. Glaubte sie zumindest. Andererseits verzog sie ein wenig ihre Lippen, als er ansprach, dass sie eben nicht mehr das kleine Mädchen war. „Dann muss ich wohl hier raus, wenn ich nicht mehr klein genug bin“, brummte sie unzufrieden, lehnte schon halb an seiner Schulter. Ihr Blick wanderte langsam zu dem prasselndem Kamin hinüber und nur wenige Meter daneben stand ein wundervoller, prächtiger Tannenbaum. „Wo treibst du dich denn dauernd rum?“, fragte sie leise nach. „Wieso nimmst du dir nicht Zeit für mich?“, murmelte sie vor sich hin und schnaubte verächtlich. „Was will ich denn mit den Kindern von Kitty? Seh ich so aus, als würde ich mehr als nötig mit Blutsverrätern und Halbblütern rumhängen? Ich dachte du kennst mich besser!“ Ein wenig vorwurfsvoll linste sie kurz zu ihm.
„Tze, doch nicht für deine Anhängsel“, schüttelte er den Kopf und nahm einen tiefen Schluck, verzog laut schluckend das Gesicht, als der Alkohol seinen Hals hinabbrannte. „Die darfst du behalten, die gehören jetzt zu dir.“ Konnten sie ja gleich viel leiden. Jeder hatte einen Packen mehr oder weniger Verwandtschaft, auf die man keine Lust hatte. Wuhe!
Amüsiert kräuselten sich seine Lippen nach oben bei ihrer Empörung. „Was?! Nein! Niemals!”, lachte er, während sie mit ihren Fäustchen – mehr waren es ja auch kaum – gegen seinen Arm, den er etwas an seinen Oberkörper herangezogen hatte, hämmerte. „Oooooh nein, hör auf, mein Arm fällt mir ab vor Schmerz“, stichelte er weiter. Da müsste sie wohl schon eine Weile zuhauen, bis es wirklich mal wehtun würde. Bis man von so etwas wie Schmerz sprechen konnte. Gerade war es ein bisschen wie Kitzeln. Niedlich. Vermutlich würde es sich so anfühlen, wenn kleine Kinder versuchten einen zu boxen. Nicht dass Dexter wusste, wie sich das anfühlte, nachdem er so etwas nicht mit sich machen ließ. Aber bestimmt fühlte es sich so an, wenn kleine Händchen mit viel zu wenig Kraft dahinter versuchten einen zu schlagen.
Seit wann die Montagues vermurkst waren, das war eine gute Frage. Vermutlich viel zu lang. Und vermutlich hatte auch Dexter ordentlich ein Paket zum Tragen mitbekommen. Nicht dass Isobel oder Dexter das anscheinend so sahen. Ach, was war schon an Dexter falsch? Nichts. Wenn man ihn mit all seinen Geschwistern verglich, dann war er tatsächlich am besten geraten. Er spackte nicht völlig weg, er war nicht seltsam, hatte keinen Nachwuchs mit irgendwelchen Longbottoms – höchstens irgendwelche Affären mit Halbblütern – und war auch nicht völlig durchgedreht und sah dabei aus wie ein zehnjähriger Zwerg, der nicht so recht in die Pubertät gekommen war. Hatte er alles nicht. Ergo konnte er nur gut geraten sein. „Naja, ich weiß ja nicht.“ Prüfend kniff Dexter die Augen zusammen und musterte Isobel mit hochernstem Gesicht, auch wenn seine Mundwinkel vielleicht ein wenig hochzuckten. „Wenn man den Kopf zur Seite dreht und nicht so genau hinschaut, jaaaaa, vielleicht dann kurz vor wundervoll.“ Man musste ja nicht übertreiben.
Von einer Seite auf die andere neigte er den Kopf hin und her: „Du wirst es nicht glauben, Isobel Bletchley, aber ich bin arbeiten.“ Merlin, bewahre. Dass es so etwas gab. Aber er konnte ja wohl kaum alles stehen und fallen lassen, nur weil die Bletchley-Prinzessin ihre Ferien hatte. Müsste er ja am Hungertuch nagen, wenn er die gesamten Sommerferien lang nichts tun würde. Mit einem heiseren Husten schüttelte er den Kopf. „Naja, sonst spielst du eben den Babysitter für die Reinblutkinder bei dir daheim.“ Ungebremst ließ Dexter den Kopf nach hinten fallen, sah Isobel nur aus den Augenwinkeln an, während in seiner Hand die Reste des Feuerwhiskeys leicht hin und her schwappten. „Ist bestimmt angenehmer.“
„Lass bloß meinen Troll!“ Mittlerweile hatte sie längst angefangen über diese Gedankenspinnerei zu lachen und amüsierte sich doch ganz ersichtlich darüber. Wobei sie die eigentliche Vorstellung, dass da tatsächlich ein um die vier Meter großer, stinkender Troll im Vorgarten saß nicht wirklich angenehm fand und ihr dabei eher unwohl wurde. Also… sie würde da nicht unbedingt freiwillig dran vorbeilaufen. Am allerliebsten gar nicht und erst recht nicht im Dunkeln. Weil sie ja sowieso schon so gern nachts da herumlief. Nee, also es war schon besser, wenn sie jetzt hier drinnen blieb und keinen Troll im Garten stehen hatte. Das Dexter da gerade ganz andere Fantasien hatte und mit seinen Gedanken schon wieder bei der Arbeit war… nun, Isobel würde das bestimmt nicht ganz so prickelnd finden. Die Vorstellung wie irgendeine Axt irgendeinen Schädel vom Hals trennte und das im worst case nicht einmal beim ersten Versuch klappte… nun, nein. Nicht unbedingt das woran sie in der Weihnachtszeit denken wollte. Noch weniger, wenn sie vermutlich noch von dem Montague genau erzählt bekommen könnte wie das so funktionierte. Neeeein, nicht so ihre Traumvorstellung und bei Merlin, er hielt zum Glück auch seine Klappe dabei, schwatzte nicht gleich los. „Ich habe sie mir nicht ausgesucht und es hat mich auch keiner gefragt!“, schnaubte sie leise. Das waren nicht ihre Anhängsel, sondern die von ihrem Vater und ihrer Mutter. Keinen Finger würde sie krumm machen, wenn sie jemand bat. Sie hatte nichts gegen ihre Cousine, aber sie war doch kein Babysitter für elternlose Blagen.
Vorwurfsvoll legte sie ihren Kopf zur Seite. Natürlich war das eher liebevolles Tätscheln was sie hier betrieb, allerdings fehlte ihr auch das an Muskelkraft, wovon Dexter sicherlich genug hatte. „Pfft! Erzähl mir doch nichts!“, meinte sie und konnte sich ein leises Kichern am Ende auch nicht mehr verkneifen, als er so gnadenlos übertrieb und – ja ja – so sehr vor sich hin litt, als sie ihn da verprügelte. „Zu recht!“, erwiderte sie grinsend, obwohl sie längst wusste, dass es ihm kein bisschen wehtat. Ihre Teetasse hatte sie sicherheitshalber schon längst auf dem kleinen Tisch vor der Couch abgestellt um den Inhalt nicht über sich, geschweige denn Dexter zu schütten. Nicht, dass sie sich dann in Grund und Boden schämen würde, allerdings wollte sie da nichts provozieren. Außerdem sollte sie zumindest hier zu Hause ein wenig Anstand bewahren. Wer wusste schon ob und wann ihr Vater aus dem Obergeschoss herunterkommen würde. Nun, ein wenig Vernunft war tatsächlich angebracht. Dafür würde sie bei ihrem nächsten Besuch bei Dexter voll und ganz sie selbst sein können. Es mochte merkwürdig klingen, doch das zu Hause des Älteren war längst nicht mehr so fremd für sie. Wenn sich Isobel irgendwo wohl fühlte, dann in den vier Wänden des anderen wo sie sie selbst sein konnte, sein durfte und wo es ihn nicht störte, wenn sie doch einmal zu albern wurde, wenn sie sich nicht benahmen wie die Erwachsenen die sie vom Alter her waren. Nicht einmal mit ihren Freundinnen hatte sie einen solch innigen Umgang entwickelt.
Schmollend schob die Jüngere ihre Unterlippe vor, als er sie so anblickte und ein Stück weit lehnte sie sich vor zu ihm. „Jaaa?“, erklang es fragend von ihr und sie stieß ihn sachte in die Seite. Sollte er bloß aufpassen, was er nun von sich gab, wo sie ihm so dicht gegenüber war. Dann konnte sie aber auch kein Schmunzeln verhindern. „Du bist unmöglich, Dexter Montague!“, kicherte sie ein wenig und ließ sich schließlich wieder gegen ihn sinken. „Aber ich nehme das als Kompliment und verzeihe dir gerade so, dass du wohl heute Tomaten auf deinen Augen hast und meine Schönheit so verkennst!“ Ein wenig schüttelte sie ihren Kopf und mit ihren Fingerspitzen schob sie sich eine lose Strähne hinter ihr Ohr. „Du hast dir nicht für mich freigenommen?“, brummte sie unzufrieden vor sich hin. „Ich bin enttäuscht! Hast du etwa vergessen wie lange wir uns nicht mehr gesehen haben?“ Sie schmollte, ganz offensichtlich. War wirklich enttäuscht und… nun, sie würde niemals zugeben, dass sie ein wenig traurig war. „Ich bin kein Babysitter für irgendwelche dämlichen Kinder. Ich bin achtzehn und lasse mir bestimmt nicht mehr vorschreiben auf wen ich aufpassen soll… muss!“ Sie drehte sich, bis sie ihr Kinn auf seiner Schulter abstützen konnte. „Hast du denn gar keine Zeit jetzt während der Ferien?“, murmelte sie leise und ihr Blick wanderte über seine Wangen, sein Kinn, die Bartstoppeln die darauf verteilt waren. Mit ihrer Hand stützte sie sich zaghaft an seinem Arm ab, grinste verschmitzt in seine Richtung.
„Naja … bisschen viel verlangt, wenn man dich fragen würde, oder?“ Dexter neigte den Kopf. Was er für große Töne spuckte. Er selbst wollte doch immer und überall mitbestimmen, ließ sich Entscheidungen über seinen Kopf hinweg so gar nicht gefallen und wenn er nicht seinen Willen bekam, dann noch weniger, aber dann wiederum: was hatten seine Eltern denn schon großartig bei ihm noch zu bestimmen? Er war älter als Isobel. Er ging nicht mehr nach Hogwarts. Er lebte längst nicht mehr zuhause. Würden sich seine Eltern noch fünf Kinder ins Haus nehmen, es wäre ihm egal. Solang es kein Gesellschaftsabschaum war, dann war es ihm egal. Wenn sie meinten, dass sie weitere Mäuler zu stopfen brauchten, wo ihnen die beiden Jüngsten abhandengekommen waren. Bitte!
Auch wenn er keinen Schmerz spürte, wenn es vielleicht unter seinem Hemd höchstens ein wenig gerötet sein würde, so strich Dexter sich dennoch mit einer Hand über die Stelle, welche Isobel so gefoltert hatte und nickte dann nur als er ein letztes Mal ihre Ärmchen begutachtete: „Ja, Spaghettiarme, trotzdem.“ Der letzte Schluck aus seinem Glas war genommen und schweigend drehte er es in seinen Händen, betrachtete das feine Glas mit den leichten Gravierungen, die unter den Fingerspitzen zu erspüren waren.
Wie ein nasser Sack ließ er sich zur Seite fallen, als die Bletchley ihn in die Seite stieß und scheinbar mit großer Anstrengung richtete er sich wieder auf: „Bescheiden, Isobel, so bescheiden wie immer.“ Dexter schüttelte den Kopf. Natürlich würde er nicht sagen, dass Isobel hässlich war, nicht gut aussah, aber wie konnten Frauen sich so viel darauf einbilden? Dann wiederum…wo sie Männer in so vielen Dingen unterlegen waren, musste man sich ja auf etwas etwas einbilden können, oder nicht? „Eine Weile?“, zuckte er die Schultern. Als würde er Buch führen. „Wenn ich mir jedes Mal frei nehmen würde, sobald du nicht in Hogwarts bist, würde ich den halbe Sommer nicht arbeiten.“ Heiser lachte er auf. Sie hörte selbst wie lächerlich das klang, oder? Auch wenn es ihm nichts ausmachte vorbeizukommen oder sie bei sich herumhängen zu haben, aber das war… utopisch. Würde er nie machen, da konnte sie noch so traurig dreinschauen und noch so viel die Wimpern aufschlagen. Mit einer hochgezogenen Augenbraue musterte er Isobel, wie sie ihm erklären musste, anscheinend, wie erwachsen sie war. Und in dem Moment war sich der Montague nicht ganz sicher, wie ernst er sie dabei nahm.
„Du tust, als würde ich den ganzen Tag arbeiten, Isobel“, seufzte Dexter und ließ den Kopf mehrmals nach hinten fallen, begann mit den Füßen unruhig auf dem Boden herumzutippeln. Zu lange am Sitzen für seinen Geschmack. „Ein bisschen Zeit ist immer.“ Prüfend sah er sie an. Nein, er wollte sie nicht loswerden, er wollte sie nicht abschütteln, aber: „Wollen dich deine Freunde nicht sehen?“
Sie wirkte tatsächlich empört und für einen Augenblick lang schaffte sie es tatsächlich jedes Schmunzeln, jedes noch so kleine Grinsen aus ihrem Gesicht zu verbannen, als er tatsächlich so tat, als würde er ihrem Troll kein wundervolles Leben im heimischen Garten der Bletchleys vergönnte. Leicht schüttelte sie ihren Kopf und blickte ihn unter dem dunklen Wimpernkranz hinweg an. Ja, und wenn man ganz genau hinsah, dann würde man erkennen, dass das leichte Beben ihrer Unterlippe und ihre feuchtschimmernden Augen alles andere, als echt waren. Aber halt auch nur, wenn man sie genau anschaute, wenn man sie gut genug kannte. Schon immer hatte diese Taktik bei ihrer Mutter und auch oft genug bei ihrem Bruder funktioniert und die meisten von ihren Wünschen waren erfüllt worden. Allerdings gab es doch ein paar Leute, bei denen diese Nummer nicht zog oder welche sie da eben nicht so ernst mitnahmen, weil Isobel sogleich durchschaut wurde. Hier und jetzt war das dann aber doch keinesfalls ernst gemeint, eher zum Spaß und… nun, der war ihr doch nicht vergönnt, oder? „Du willst… du willst Kevin einfach wehtun?“, fragte sie ihn und schob ihre Unterlippe ein ganzes Stück vor, piekte ihm mit dem Finger gegen seinen Arm. „Weißt du eigentlich wie furchtbar das wäre? Er würde mir so sehr fehlen!“ Ein leises Schnauben entwich der Brünetten und sie gab ein geradezu schnippiges „Hm!“ von sich. Doch keinen Wimpernschlag später und sie hatte ihr amüsiertes Lächeln wieder auf den Lippen, konnte bloß ihre Augenbrauen heben. „Oh, Dexter, muss das sein?“, fragte sie ihn. Die Vorstellung wie einem furchtbar hässlichen Troll auch noch der Kopf abgehackt wurde war… nun, weniger prickelnd. „Das ist wahrscheinlich das ekligste was ich mir heute vorstellen musste!“
„Ach…“, sprach sie langsam und rollte mit den Augen. „Ich finde ja so viel ist das gar nicht verlangt. Ich verstehe auch gar nicht weshalb man die gewohnten Dinge so umschmeißen musste. Damit ist doch niemandem geholfen. Sollen die Kinder einfach dahin zurück wo sie herkommen.“, brummte sie vor sich hin. Es würde immer vollkommen unverständlich bleiben. Also… sie würde sicherlich nicht auf die Idee kommen in ihrem Leben einmal solch fatale Fehler zu begehen. Gut, die eigene Familie noch irgendwo unterstützen, solange sie es eben auch wert war, das zweifelte sie nicht an, da würde sie noch hinter stehen… aber ein Blag im Haus zu haben bei welchem an doch nicht einmal wusste ob es überhaupt ausreichend wert hatte, das tatsächlich verdient hatte? Wer wusste schon aus welch elendigen, verkümmerten Verhältnissen Alfie kam, was für Abschaum sich ihre Eltern am Ende in die eigenen vier Wände geholt hatten. Heilige Hippogreifkacke – was für ein Skandal das werden würde, wenn irgendetwas derartiges herauskäme. Die ganze Familienehre wäre hinüber, zu Nichte gemacht! Das würden sie nicht mehr herausreißen können und alleine bei der bloßen Vorstellung kam Isobel das ausgiebige Abendessen von diesem Tag beinahe wieder hinauf. An solch einen Skandal wollte sie keineswegs denken.
Ihr Kopf schüttelte sich ein wenig, als er ein weiteres Mal meinte, dass sie Spaghetti-Arme hatte. Mit ihren Fingerspitzen fuhr sie in Gedanken leicht über den anderen Arm. Über die Weihnachtstage hatte es deutlich zu viele Leckereien gegeben, opulente Essen mit der Familie und in viel zu vielen Zimmern gab es Teller die gefüllt waren mit kleinen Schokoladen und köstlichen Keksen an welchen sie einfach nicht vorbeigehen konnte ohne immer wieder etwas zu naschen. Auch jetzt, hier im warmen Wohnzimmer, stand auf dem Tisch vor ihnen ein silberfarbener Teller und kurz huschte Isobels Blick zu jenem hinüber. Aber wenn er sagte, dass sie Spaghetti-Arme hatte, dann konnte sie nicht so viel zugenommen haben. Andererseits… nun… vielleicht wollte er ja auch bloß durch die Blume hinweg sagen, dass sie einfach doch pummelig geworden ist und dazu auch noch schwach war! Für einen Augenblick verunsichert zupfte sie ihre Bluse zurecht, wandte ihm schließlich wieder ihre Aufmerksamkeit zu. Das war besser, bevor sie sich hier noch in ihren Gedanken verlor. „Du weißt wie bescheiden ich immer bin! Niemand ist bescheidener als ich!“ Ihre Brauen hoben sich kurz an, lächelte ihm dann zaghaft zu. „Ach, was… ab und zu kannst du ja auch mal arbeiten gehen, ich treffe mich doch auch mit Nate und den anderen ab und an“, lächelte sie ihm amüsiert zu, ließ ihren Blick schweifen. „Du arbeitest aber auch wirklich furchtbar viel… du wirst dann immer ganz unentspannt!“ Ihr Kopf legte sich zur Seite und kurz seufzte sie doch auf. „Oh, bitte… meine Freunde und ich, wir sehen uns quasi jeden Tag in der Schule und mit den anderen bin ich ja auch noch dann und wann verabredet, aber jetzt im Moment ist mir hier einfach furchtbar langweilig.“ Während sie erzählte blickte sie auf seine nervösen Bewegungen. Kurz legte sich ihre Hand auf sein Bein, als würde sie ihn dadurch beruhigen können, doch… nun, natürlich wusste sie, dass es nicht helfen würde.
„Lass uns draußen ein bisschen spazieren gehen!“, schlug sie vor, stand schließlich auch sogleich auf. „Aber nur, wenn du mich vor Kevin und dem ganzen anderen gruseligen Kram da draußen beschützt!“ Ungefragt nahm sie ihm das Glas ab, stellte es auf den Tisch und griff nach seiner Hand. „Komm, los!“, grinste sie und zog ihn an seiner Hand.
Auf ihre Beschwerde – wer so einen Namen vergab, durfte sich den Tod auch ruhig bildlich vorstellen – zuckte der Montague nur die Schultern. „Hab dich nicht so.“ Ein schiefes Grinsen machte sich bei ihm breit, als er sie aus den Augenwinkel ansah: „Ist ja nicht so als hätte ich dir von dem Blut erzählt und welche Geräusche es macht.“ Absicht. Pure Absicht, dass er sie damit aufzog. Vielleicht musste man für seinen Beruf auch einfach einen morbiden Geschmack haben, dass man so noch Witze darüber herzog. Aber Dingen das Leben zu nehmen, darüber zu witzeln und nicht gleich neben den Kadaver zu kotzen, das waren Dinge, die Dexter durchaus gut fand und womit er leben konnte.
„Du tust, als wäre es der Weltuntergang. Wo willst du sie denn lassen? Bei ihren toten Eltern?“ Zumindest, wie es den Lestrange Kindern ergangen war, das wusste er. So vom Hörensagen. Was man eben nicht ignorieren konnte, wenn Leute darüber sprachen. Leicht reden hatte er aber. Er kannte die Bälger nicht. Wollte er auch nicht. Merlin bewahre. Er wollte so etwas nicht kennen lernen. Aber Isobel war melodramatisch. Sie war achtzehn Jahre alt, wie lange müsste sie die Bälger denn noch ertragen? In nicht einmal einem Jahr würde sie sie nicht mehr in Hogwarts sehen und wie sie doch selbst bemerkt hatte, war die Zeit, die man zuhause verbrachte in den Ferien eher gering. Den Großteil der Zeit würde sie die Trolle nicht einmal sehen. „Du bist melodramatisch.“ Frauen. Furchtbar. Lag wohl in den Genen. Dexter verdrehte die Augen. Verstand sich ja von selbst. Dennoch grinste er sie – fast schon nachsichtig –an und tippte ihr mit dem Zeigefinger gegen die Stirn.
Stille machte sich zwischen ihnen für einen Moment breit, in der Isobel nichts sagte und Dexter ging nicht weiter darauf ein, legte den Kopf in den Nacken und blinzelte träge zur Decke hinauf. Erst als Isobels Stimme wieder zu hören war, bewegte er seinen Kopf um ein paar Zentimeter. „Nicht mal beim Bescheidensein bist du bescheiden.“ Schüttelte er den Kopf. Wirklich. Frauen. So eitel. Waren Männer ja nie. Sie wussten nur um ihren Wert. Aber Frauen. Amüsant. „Tzzzzz … ich bin immer entspannt“, winkte er verbal ab. Ohja, kannte man ja. Dexter, der entspannteste Mensch auf diesem Planeten. Immer ausgeglichen. Morgens ein bisschen Yoga, mittags Meditation und am Abend vorm Zubettgehen einen Beruhigungstee. Natürlich hielt er das so! Seit Jahren. Er hatte so sehr seine innere Mitte gefunden. Ganz klar. Entspannung stand ihm förmlich auf die Stirn geschrieben. „Wie kann dir so langweilig sein? Wenn du doch Leute treffen kannst…?“ Es war ein absolutes Luxusproblem, das sie hier besprachen. Wie nichts zu trinken außer Wasser zu haben. Schlimm. Was tat man nur mit seiner ganzen Freizeit?
Deutlich mehr als vor einem Augenblick zappelte Dexter mit den Beinen, machte einen schwachen Versuch sie mit kurz verzogenem Gesicht auszustrecken, als sich die unangenehme Wärme in seinen Beinen ausbreitete, als würde es unter der Haut dagegen klopfen und brodeln. Wie er Abende hasste. Auch Isobels Versuch ihn davon abzulenken half da wenig, Dexter bemerkte es ja nicht einmal wirklich. Vielleicht war er gerade damit beschäftigt, dass seine Beine gefühlt in Flammen standen oder sich anfühlten als, würden sie mit jeder Sekunde mehr an verschiedenen Stellen brechen. Rastlos begann er mit den Beinen zu wippen, fand dort recht schnell einen Rhythmus, der jede Ruhe aus einem Raum nahm. Seine Augenbrauen zuckten in die Höhe, als sie ihm das Glas abnahm, doch ließ er sich bereitwillig auf die Beine ziehen. Bereitwillig weil es gleich so viel besser wurde, der Schmerz in einer winzigen Welle schwächer wurde, auch wenn er so nervtötend präsent blieb. „Da draußen ist nichts“, stellte er trocken fest. „Du weißt, dass es dunkel wird?“ Klar wurde es dunkel, es war abend. Ob sich Isobel da aber so im Klaren war? Er wusste, dass sie kein Fan von Dunkelheit war, aber verstanden hatte er es nie. Es kam ihm so albern vor. Was sollte schon anders sein als bei Tageslicht?
Sie musste sich ein Kichern, ach was… eigentlich schon ein lautes Lachen verkneifen, als er sie so vollkommend verblüfft anschaute und ihm beinahe alles im Gesicht entglitt. Tatsächlich musste sie sich ein wenig auf ihre Unterlippe beißen und letztlich entglitt ihr doch ein leises Glucksen, als sie ihm in sein Gesicht blickte. Leicht spielte sie an einer Haarsträhne herum, wickelte sie ein wenig um ihren Finger, während sie schon beinahe ein wenig hibbelig und nervös wurde. Isobel konnte sich nicht wirklich daran erinnern wann genau Dexter sie zuletzt so lange so… dümmlich fast schon angesehen hat. Und dann brach sie tatsächlich in lautes Lachen aus, als er sie tatsächlich voller Entsetzen fragte, ob der Troll Kevin hieß. Nun, Isobel hatte an den erstbesten Namen gedacht der so sehr für Dummheit stand, da war Kevin wohl längst ein Paradebeispiel für. „Ich habe schon den Abschaum der Gesellschaft mit diesem Namen kennenlernen müssen – und so viel mehr wert ist ein Troll nun auch nicht, Dexter, bei aller Liebe!“ Sie schmunzelte noch immer, tätschelte seine Hand liebevoll. „Aber wenn es dir besser geht... dann nenne ich ihn auch gerne um. Gefällt dir Dexter besser? Kannst du dann eine innigere Beziehung zu ihm aufbauen?“ Sie lächelte ihm zu, viel zu unschuldig und doch durch und durch belustigt über ihn. Allerdings wusste er doch zu gut wie er ihr da einen Dämpfer setzen konnte und Isobel saß mit angewidert verzogenem Gesicht neben ihm, verdrehte leicht die Augen. „Ihhh!“, kam es jammernd von ihr und schützend legte sie beide Hände über ihre Ohren. „Hör auf, ich will das gar nicht wissen was für Geräusche da kommen, wenn du den Kopf abhackst! Ohh, Dexter, ihh!“
Seinen Vorschlag wo sie die nervigen Kinder lassen konnte war… nun, gar nicht so schlecht. Und so folgte tatsächlich, nach kurzem Überlegen der Slytherin, ein nicken ihrerseits. „Jah, wieso denn nicht? Dann sind sie zumindest bei ihnen und… nun, wenn wir die Blagen direkt in die Särge und unter die Erde packen, dann hab ich gänzlich meine Ruhe und mein Zuhause für mich zurück!“ Jaaa, Familie lieben konnte Isobel, aber nach wie vor reichte ihr die beiden Brüder und überhaupt, vielleicht hatte sie sich auch gerade ein wenig hineingesteigert. „Wenn ich nicht das Gefühl hatte, dass sie mir meine Familie wegnehmen, dann hätte ich ja auch nichts gegen sie… zumindest nicht so viel.“ Schwer seufzte die Brünette auf, lehnte sich zurück. „Bin ich ja gar nicht!“, erwiderte sie dann jedoch und klang doch gleich ein wenig eingeschnappt. Hallo??? Als würde sie jemals so etwas wie melodramatisch sein. Gab es ja gar nicht und Isobel… nein, die war einfach genauso wie sie war richtig. Außerdem brauchte er jetzt auch nicht wieder damit ankommen! Das hatte sie ihm die letzten Jahre nicht geglaubt, warum sollte sie ihm jetzt abnehmen, dass sie sich vielleicht tatsächlich ein kleines bisschen zu sehr in Dinge reinsteigern konnte. Nein, sie war so erwachsen und vernünftig in dieser Hinsicht! Und als sein Finger auf ihre Stirn traf da hob sie Augenbrauen bloß und griff nach seiner Hand. „Hey! Jetzt wirst du ganz schön frech!“
Ihre Augen waren für einige Augenblicke tatsächlich geschlossen und die warme Stille hüllte sie ein, machte sie tatsächlich ein wenig müde. Doch… nein, sie würde bestimmt nicht einschlafen, jetzt wo Dexter hier endlich angekommen war. Wo sie doch den halben Tag auf ihn gewartet hat bis er bei ihr war. „Ich weiß“, konnte sie also bloß auf seine Worte hin lächeln. Japp, Bescheidenheit war ihr zweiter Vorname und ein ganz wichtiger Charakterzug ihrer selbst – not! Aber das tat ja am Ende rein gar nichts zur Sache und ändern konnte sie sich jetzt sicher eh nicht mehr. „Nun… ich bezweifle, dass du tatsächlich irgendwann mal wirklich entspannt bist. Aber… du kannst mich gerne von etwas anderem überzeugen. Urlaub würde dir trotzdem guttun!“ Ein Grinsen zierte ihre Lippen und sie beobachtete die züngelnden Flammen im Kamin. Isobel könnte stundenlang dort hineinschauen und die Welt um sich herum vollkommen vergessen. „Vielleicht will ich die auch gar nicht alle treffen? Manchmal ist es auch nett nur ein oder zwei verschiedene Leute zu sehen und man ist zufrieden!“ Weil Isobel so oft zufrieden war… war nun nicht unbedingt ihre Bestleistung, aaaber gut. Doch das Zappeln mit seinen Beinen sorgte dafür, dass sie ganz abgelenkt war und ihre Aufmerksamkeit voll und ganz bei ihm lag. Sie sollte das hier im Haus nicht allzu laut herumposaunen, allerdings hatte sie schon mehr als einmal bei Dexter übernachtet. Ganz besonders häufig an den Hogsmeade-Wochenenden, doch auch von zu Hause aus war sie schon des Öfteren weggefloht, wenn sie sich sicher war, dass keiner es bemerken würde. Kein Wunder also, dass sie das nervöse Wackeln seiner Beine kannte und auch ihr leichtes über-die-Beine-streichen keinerlei Wunder bewirkte. Und… nun, es war auch kein Geheimnis, dass Isobel nicht wirklich gerne draußen in der Dunkelheit umherlief. Das sich jedes Mal aufs Neue ein unwohles Gefühl in ihr ausbreitete. Doch Dexter fühlte sich nicht gut und sie wollte das nicht. „Ach, ein wenig frische Luft tut mir sicherlich gut… außerdem bist du ja auch da!“ Den Kopf zur Seite gelegt blickte sie zu ihm auf, stieg schließlich in ein paar dunkelbraune Stiefel hinein und zwei Hauselfen kamen schon herbeigeeilt um Dexter seinen, und Isobel ihren Mantel zu bringen. Mit einer warmen Mütze und einem weichen Schal um sich öffnete sie schließlich die Tür. Für einen kurzen Augenblick überlegte sie ihrem Dad Bescheid zu sagen, doch dann… nun, sie war erwachsen. Sie durfte alleine rausgehen.
Morbide Berufe, morbide Idee, man musste mit allem Respekt sagen, Isobel stand ihm in nichts nach. Die Kinder in Särgen zu ihren Eltern zu bringen, darauf wäre nicht einmal Dexter gekommen. Er hätte sie irgendwo ausgesetzt oder ignoriert, bis sich das Problem von selbst gelöst hätte – gut vielleicht kam das bei Montagues schneller vor als bei Bletchleys – und er zuckte die Schultern: „Was sollen sie dir wegnehmen? Sind doch sowieso nie da?“ Jaja, dass man elterliche Bindungen vermissen konnte oder Ängste entwickeln könnte jene zu verlieren, war so ein Konzept, was Dexter nicht unbedingt bekannt war. Er hatte ja aber auch nicht gerade das, was man eine Vorzeigebeziehung zu seinen Eltern nennen konnte. Details, die niemand brauchte. Mit einem geradezu gnädigen Lächeln bedachte er sie, als sie dagegen protestierte melodramatisch zu sein und das auf geradezu dramatische Weise. Beweisführung abgeschlossen. Wie ein Hund legte Dexter den Kopf schief, sah sie an und verzog mit einem Schnarren das Gesicht. Klar war er frech, er durfte das auch.
Die Stille, die mit einem Mal da war, war irgendwie seltsam. Der Ältere konnte nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, ob sie ihm unangenehm war. Sie war nur irgendwie komisch, dass sie so da war und er wusste nichts so recht mit ihr anzufangen, sodass er sie kurzerhand einfach stehen ließ, bis es an der Bletchley war sie wieder zu brechen. Leise grummelte Dexter nichts aussagend vor sich hin. Am Ende wusste er wirklich nicht, was Entspannung war – aber als würde er sich wirklich den Kopf über solche Luxusdetails zerbrechen -, kannte er es aber auch nicht anders, also was kümmerte es ihn? „Und zwar?“ Nicht dass er es nötig hätte Isobel irgendetwas zu beweisen, aber … ja? Dass er Urlaub brauchte? Naja. Dexter war nicht unbedingt das, was man ein Arbeitstier nannte. Er überarbeitete sich sicherlich nicht. Aber wenn man einen verschwindet geringen Freundeskreis hatte, wenn man überhaupt von so etwas sprechen wollte, und auch sonst wenig mit der Familie am Zauberhut, wo sie in alle Himmelsrichtungen zerstreut waren mittlerweile, da arbeitete man vielleicht etwas mehr. Oder verbrachte mehr Zeit im Ministerium. Ob er wirklich arbeitete, das war eine andere Sache. Was wollte er den ganzen Tag nur gelangweilt Zuhause sitzen? Dass ihn dann schneller Langeweile befallen würde, er bei dem Gedanken alleine schon die Beine brannten und unruhig zu werden begannen, war Beweis genug, dass Urlaub absolut überflüssig war.
Mit einem Seufzen war er auf den Beinen, verzog etwas das Gesicht mit den ersten Schritten, als er die Beine automatisiert ausschüttelte. Die Muskeln brannten durch seine Beine, jede Bewegung nagte an ihnen. Anfangs noch so schneidend wie bei einem Messerstich und von einer Besserung konnte man noch nicht wirklich sprechen, als sie nach draußen in die Kälte traten. Brauchte immer seine Zeit. Dexter schlug den Kragen seines Mantels etwas höher. Als Wolke hing der Dunst seines Atems vor seinem Mund. Von der Seite betrachtete er die Bletchley. Jaja, er war ja da. Für nichts. Weil hier nichts war. Wie sie vor so etwas Angst haben konnte. Absolut unverständlich für ihn.
Der Montague schüttelte den Kopf und schweigend taten sie ein paar Schritte, bis er schließlich stehen blieb und unruhig auf der Stelle trat, winzige kleine Schrittchen, die den Schnee unter seinen schweren Schuhen knacken ließen: „Ich glaub', ich sollte wieder gehen.“ Für einen Besuch reichte es vermutlich und er würde sie hier nicht wie seine Aufpasserin neben sich gehen lassen, während er seine Beine für den brennenden Schmerz verfluchte.
Es gab sicherlich einige Dinge, welche sie dem Älteren keineswegs erzählen würde, welches sie ihm nicht einmal im Traum anvertrauen würde. Die Tatsache, dass Dexter dann und wann einfach ein wenig dümmlich ausschaute gehörte ebenfalls dazu. Nein, sie würde es sich schon anders mit ihm verderben können. Da gab es sicherlich viel kreativere Wege. Außerdem hatte er ja auch eigentlich ein ziemlich hübsches, ansehnliches Gesicht. Meistens jedenfalls. Wenn er nicht gerade diesen Blick aufsetzte. Wenig wunderlich also, dass es gar nicht so einfach war aufzuhören darüber zu lachen und selbst dann noch leises, amüsiertes Glucksen von der Brünetten kam. Das liebevolle tätscheln seiner viel zu großen Hand war viel mehr beiläufig und fest presste Isobel ihre Lippen aufeinander, als er so furchtbar beleidigt und eingeschnappt seine Hand wegzog. Das Schnalzen von ihm machte es bloß noch schwerer nicht ein weiteres Mal hemmungslos los zu kichern. „Ach Dexter… stell dich doch nicht so an. Als würde ich deinen wundervollen Namen jemals einem dummen Troll geben können!“, sprach es besänftigend von ihr und sie versuchte sich gar nicht so sehr mit rollenden Köpfen zu beschäftigen. Nein, sonst würde sie später sicherlich kein Auge zutun können und ständig diese schaurigen Bilder vor Augen haben.
Vielleicht lag es an Dexter und der Tatsache, dass er Henker war und Isobel schon die wildesten Geschichten gehört hatte. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ihr eigener, ältester Bruder mehr als nur merkwürdig und unheimlich war und sie sich auch heute noch manches Mal fragte was bei ihm schief gegangen war. Jedenfalls war auch sie selbst schnell dafür zu begeistern eben kurzen Prozess zu machen – und wenn sie dafür die vier Gören eben in irgendwelchen Särgen unter der Erde verbudeln musste: prima! Dann würde sie auf jeden Fall ihre Ruhe und ihren Frieden wiederbekommen und die Blagen würden sich zu ihren toten Eltern gesellen können. Bei der Vorstellung konnte sie bloß ihre Nase rümpfen. Ne, tat ihr gerade nicht so wirklich leid, dass sie solch furchtbar gemeine Gedanken hatte. „Ja, aber wenn sie hier sind… ist das schon zu viel.“ Leicht rollte sie mit ihren Augen. „Und außerdem… also die Drillinge, okay, das versteh ich ja noch ein bisschen, aber dieses vierte Blag? Wieso holen die sich so ein Kind von dem sie nicht einmal wissen können ob es anständiges Blut in sich hat?“ Ein weiteres Mal schüttelte sie bloß ihren Kopf und verdrehte ihre Augen. Absolut unverständlich von Miles und Cordelia.
Sie würden es vermutlich auch weiterhin unterschiedlich sehen. Isobel würde es nach wie vor so sehen, dass er sich ruhig mal einige Tage frei nehmen konnte, doch er selbst… nun – sie könnte sicherlich sonst noch etwas versuchen. Doch hören würde er das keinesfalls wollen. Trotzdem war sich die Brünette sicher, dass sie irgendwann einmal eine Idee haben würde um ihn zu ein paar freien Tagen zu bewegen. Konnte ja nicht sein, dass er sich noch nicht einmal während der Weihnachtszeit etwas Ruhe gönnte. Also bitte, als gäbe es zwischen Weihnachten und Neujahr so viele Köpfe die rollen müssten! Unsinn. Also… doch nicht bei einem Henker, jaja. Sich selbst etwas zu bewegen tat ihr irgendwie auch gut. Schließlich hatte sie den halben Abend sitzend verbracht und nun… die frische, kühle Luft dort draußen umhüllte sie und schlich sich ganz langsam unter ihren Schal hinunter, dabei war sie erst wenige Momente draußen. Ein leichtes Lächeln hatte sich auf ihre Lippen geschlichen, erneut fingen sich allerlei Schneeflocken in ihrem dunklen, langen Haar. Jedoch lenkten seine Worte ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn zurück und sie war doch sichtlich irritiert. „Schon?“, fragte sie leise und biss sich auf ihre Unterlippe. Kurz senkte sich ihr Bick gen Boden. Sie hatte ihm doch nur etwas gutes gewollt, als sie vorgeschlagen hatte hinaus zu gehen. „Okay…“ Ein Seufzen entwich ihr und Isobels Blick wanderte nur langsam wieder zu ihm auf. „Meinst du denn wir sehen uns bald wieder?“
„Mpfh!“, schnaubte Dexter und verdrehte die Augen. Ja, da blieb wohl zu hoffen, dass Isobel sich so etwas nich trauen würde. Nach wie vor war Dexter deutlich besser als Kevin. Um Meilen besser. Um Welten besser. Aber einem Troll sollte man allgemein keinen Namen geben. So viel Wertschätzung hatten sie dann doch nicht verdient. Brauchten sie nicht. Stand ihnen nicht zu. Auch nicht auch wenn es nur ein furchtbarer Name war.
„Was weiß ich?“ Dexter zuckte die Schultern. Gut, da hatte Isobel wohl recht. Familie aufzunehmen war immer etwas anderes als irgendwelche Fremden. Aber Dexter würde sich hüten seine Zeit mit so etwas wie dem Adoptierverhalten der Bletchleys auseinander zu setzen. Wie viel mehr könnte er seine Zeit auf diese Weise schon verschwenden? Furchtbar. Kam gar nicht in Frage. Würde er nicht tun. Ganz bestimmt nicht. „Vielleicht haben sie sich ja was dabei gedacht“, zuckte er die Schultern und das Thema war durch. Er war da eindeutig der falsche Ansprechpartner. Höchstens das Ventil, um Luft abzulassen. Aber mehr wollte er auch gar nicht sein. Was auch immer da bei den Bletchleys abging, das sollten sie schön bei sich behalten. So interessant war die Familie nun auch wieder nicht, dass der Montague das Bedürfnis hätte sich einzumischen.
Die frische Luft tat tatsächlich gut. Ein Dexter nicht fremdes Phänomen. Die kalte Luft um diese Jahreszeit war eine willkommene Abwechslung zu dem Gefühl, dass sein Körper in Flammen stand. Es war wirklich angenehm. Es war gut. Sehr gut. Und Dexter spürte deutlich, wie das Herz ihm nicht mehr angespannt gegen die Brust wummerte, wie er unwillkürlich das Gesicht zu einer starren Maske verzog, die nicht mehr verschwinden wollte. Aber sobald der Schmerz, winziges Stückchen für winziges Stückchen abebbte, wurde es wieder etwas angenehmer. So nervig es auch war, dass er solche Zwischensequenzen brauchte – anders als sein ständiges Gezappel, was er nicht einmal selbst wirklich als solches wahrnahm, störte ihn der Schmerz in seinen Beinen tatsächlich. Aber bei wem wäre das nicht so?
Tief sog er die Luft ein. Eiskalt wirbelte sie in seinem Hals herum und Dexter schluckte schwer, wo er sich damit fast selbst zum Husten brachte. Aus den Augenwinkeln sah er Isobel an, nickte leicht. Er war wirklich nicht lange hier gewesen. Aber es war für ihn von Anfang an eigentlich mehr ein kleiner Abstecher gewesen, als ein ausufernder Besuch. Nur mal nach Isobel sehen, nachdem sie jetzt Ferien hatte. „Sicher sehen wir uns wieder.“ Irgendetwas wäre falsch gelaufen, wenn sie Ferien verbringen würde und nicht aufschlagen würde bei ihm. Das tat sie ja sogar über das Schuljahr hinweg. Als wolle er sie umarmen wollen kam Dexter einen Schritt auf die Bletchley zu, legte aber nur mit einem Grinsen kurz sein Kinn auf ihrem Kopf ab, tätschelte ihr wieder den Kopf wie zu seiner Ankunft: „Geh schlafen, Kleine.“ Schief grinste er sie an, ehe er mit den Händen in den Taschen durch die Dunkelheit stapfte und mit kalten Fingern nach seinem Zauberstab fischte, um mit einem Ploppen vom Grundstück der Bletchleys zu verschwinden.
#
Powered by: Burning Board Lite 1.0.2 © 2001-2004 WoltLab GmbH