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‘You okay honey? – Well I’m afraid so.
Sie stand auf.
Sie packte ihre Tasche und zog ihre Uniform an. Sie ging zum Frühstück, ging zum Unterricht und zum Mittagessen. Meist um sich während der Pause in irgendeine Ecke in der Eingangshalle zu setzen, wo sie die anderen Menschen beobachtete und doch nicht wirklich sah. Kehrte danach zum Unterricht zurück und kehrte in den Gemeinschaftsraum ein. Selbst die Anfertigung ihrer Hausaufgaben hatte die York wieder aufgenommen und es reichte für passable Leistungen, wenngleich sie vieles verpasst hatte und es schwer gewesen war, den Anschluss zurückzufinden. Doch am Ende des Tages wusste Tiara York, dass es egal war. Dass es keinerlei Bedeutung mehr besaß, was sie getan oder nicht getan hatte. Die Gestalten glitten an ihr vorbei, ohne von ihr wahrgenommen zu werden. Sie war leer; sie war ausgebrannt.
So saß sie auch jetzt wie immer in einer der hinteren Ecken weit entfernt von den warmen und begehrten Plätzen an den Kaminen und blickte auf das aufgeschlagene Buch hinab, ohne wirklich etwas zu lesen. Etwas zu verstehen. Tiara York tat, was man von ihr verlangte – sie reagierte ohne wirklich zu reagieren. Eine Maschine, eine Marionette; doch hatte sie das Fadenkreuz über ihre Führung lange schon abgegeben und einem anderen übertragen. Irgendjemanden und wenn es mittlerweile nur die Professoren um sie herum waren, so war alles besser, wie ihr eigenes Gewicht tragen zu müssen. Jenes Wissen darum, dass sie keine Richtung mehr hatte und jeder Sinn verloren war, wie sehr sie sich auch bemüht hatte. Denn die York hatte gekämpft – so viele Male um die Liebe eines Jungen, um ihre eigenen Gefühle. Sie hatte um ihr Leben gekämpft und für das eines anderen, nur um am Ende vor der Erkenntnis zu stehen, dass sie versagt hatte. Nichts anderes war geblieben, außer dem Wissen, dass Levi sich hatte umbringen wollen. Sie wusste, dass es aus war.
Wusste, dass es keine Zukunft mit ihm geben würde – doch wie sehr Tiara jenes Wissen zuvor schon gehabt hatte, war es trotz allem niederschmetternd gewesen, als ihre Ängste endlich Gestalt angenommen hatten.
Und nun war es zerstört.
Es. Ihr Leben, ihre Existenz, ihre Grundlage.
Sie ging auf Scherben, ging über Trümmer hinweg und wusste nicht einmal, woher sie den Willen schöpfen sollte, sich wieder etwas aufzubauen. Also saß sie dort und erledigte ihre Hausaufgaben. Sie besuchte den Unterricht, sie nahm mit Erschrecken wahr, wie nahe der Abschluss doch gekrochen gekommen war und wie schlecht sie in allen Bereichen des Lebens stand. Doch es fehlte die Kraft, etwas wieder aufzubauen. Es fehlte jede Kreativität dafür und alle Hoffnungen waren verbrannt. Sie war eine leere Hülle, die atmete, sprach und aß. Lange schon hatte sie an den Wochenenden nach Hogsmeade nicht mehr teilgenommen, denn es gab keinen Reiz mehr für die Gryffindor. Sie war alleine. Sie war einfach nur alleine, nachdem sie all ihre Freunde vor den Kopf gestoßen hatte und sich alleine wegen Leviticus von allen abgewandt hatte .. nur um jetzt da zu sitzen und wissen zu müssen, dass es keine Menschenseele mehr in ihrem Leben gab, an welche sie sich hätte wenden können. Trotz allem sie es versucht hatte, indem sie zurückgegangen war. Tiara hatte versucht, an jenen Punkt zu kommen, bevor alles so grundlegend eskaliert und sie mit solcher Wucht um sich geschlagen hatte, dass kein einziger Mensch mehr an ihrer Seite hatte stehen wollen. Da war das gemeinsame Weihnachten mit Léandre ein kleiner Anfang gewesen, auch wenn es ihr unfassbar schwer gefallen war, überhaupt mit ihm zu reden. Sich nicht vor ihren eigenen Schuldgefühlen zu verbergen, welche ihr immer und immer wieder in den Nacken sprangen und sie ins Stolpern brachten.
So hob sie den Blick, als sie die Begrüßung hörte und sah Jeff einen Moment stumm an. Tiara wusste nicht, wieso er hergekommen war. Weswegen er von sich aus Zeit mit ihr verbringen wollte, doch nickte sie lediglich ein wenig. „Ist das etwa ein Bestechungsversuch?“, erwiderte sie mit einem leichten Lächeln, dem dennoch jede Freude fehlte. Doch es war ein Schritt. Ein verdammter erster Schritt, wie sie so viele erste Schritte wieder hatte setzen müssen, mit jemanden zu feixen. Nicht bloß mit anzusehen, wie Worte an ihr vorbei rauschten, wie ihre Gedanken lediglich um den nächsten Trip kreisten, wie sie an nichts anderes denn ihre Sucht denken konnte. Denn diese hatte ihr nichts gebracht. Ganz am Ende, wenn alles verloren war, fiel es einem Menschen fast leicht, sich einzugestehen, wie dumm man gewesen war.
Einen Moment schweigend musterte sie den Vertrauensschüler.
Ehe sie ihre Feder in das Tintenglas stellte und sich zurücklehnte. „Ich habe die Aufgaben für Zaubertränke noch nicht fertig. Wenn es Dir also darum geht, wirst Du jemand anderen suchen müssen, welchen Du mit den Keksen weichbekommst“, fügte sie hinzu und musterte ihn einen Moment unsicher. Wie seltsam jenes Gefühl war, einen Witz zu machen. Zusammen mit jemanden zu gehen, statt sich gegen alle zu stellen. Dass es früher normal gewesen war, dass selbst ihr Sinn für Humor schwer gelitten hatte, wog umso schwerer für Tiara.
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