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Into the bottom of every bottle
Phil genoss den Abend. Er hatte mitbekommen, dass eine zwar relativ unbekannte, aber nichts desto trotz sehr talentierte Band in dem Pub spielte und das auch noch an einem Abend, an dem er nichts zu tun hatte. Natürlich war er hingegangen. So stand er mit einem Glas Kilkenny in der Hand gegen die Wand gelehnt und sah dem Treiben der Leute zu. Hätten seine Eltern damals gewusst, dass er hier mitten unter Muggeln stehen und sich pudel wohl fühlen würde... vielleicht hätten sie doch interveniert und ihn nach Frankreich zurückgeschleift. Nun... er war froh, dass es nicht so gekommen war. Er hatte in England wirklich eine Heimat gefunden - und eine neue Familie. Er nahm einen Schluck von seinem Bier, als die Band ein neues, etwas ruhigeres Stück zu spielen begann.
Sein Blick wanderte durch den Raum und über die Leute, die sassen oder standen und die Musik und den Abend genossen... bis sein Blick an einer ihm nur allzu bekannten Gestalt hängen blieb. „Rory?“ Er schüttelte leicht den Kopf. Er hatte nicht erwartet sie hier zu treffen, doch die Verwunderung darüber verflog sehr schnell, verdrängt von der Sorge, die sich schlagartig in ihm breit machte, als er sah, in welchem Zustand sie war. Sie hatte definitiv mehr als ein Glas Bier gehabt, doch es war noch nicht einmal das. Sie wirkte... elend. Er schob sich zwischen zwei Typen durch, die auf dem Weg zur Bar an ihm vorbeigingen und ihm falschen Moment stehen blieben und hielt auf Rorys Tisch zu. Als er dort ankam, stellte er sein Glas auf den Tisch und liess sich an der Tischseite zur Rechten seiner Nichte nieder. „Was ist los mit dir, Rory?“, wollte er ohne grosse Einleitung wissen und legte seine raue Hand auf ihre. Noch nicht einmal für eine richtige Begrüssung nahm er sich Zeit.
Rorys Finger fuhr immer und immer wieder über den Rand ihres Glases. Das tat sie manchmal. Ihr Großvater konnte Gläser so zum Singen bringen, das konnte sie nicht. Aber auch egal. Machte doch keinen Unterschied mehr. Mit der Linken fuhr sie sich durch die Haare, oder zumindest durch jene, die nicht von dem unordentlichen Knoten gehalten wurden. Zu mehr hatte es einfach nicht gereicht nachdem Rose sie genötigt hatte. Streng genommen hatte Rose vor ihrer Wohnung gestanden und ihr mitgeteilt, dass es kein Entkommen gab. Die Freundin hatte sie sogar gezwungen, sich etwas Vernünftiges anzuziehen. Und das obwohl sie so gar keine Lust hatte. Während die gemeine Kuh tanzte, blieb Aurora sitzen... aufstehen war nicht mehr so die allerbeste Idee. Nicht, wenn es sich verhindern ließ
Ein Schatten tauchte in ihrem Augenwinkel auf. Eigentlich wollte sie den Kerl schon verscheuchen, aber bevor sie das formulieren konnte, erkannte sie, wer da saß. „Salut, Onkel Phil.“, nuschelte die angehende Fluchbrecherin und lächelte den Cousin ihrer lieben Mamie an. Großirgendwas irgendeines Grades. Aber sie hatte ihn immer schon Onkel Phil genannt, weil er das irgendwie am ehesten war. Der Kammerjäger war im gleichen Alter wie ihre Eltern und er machte ab und ab Blödsinn mit den Kindern. Früher hatte er sie manchmal auf seinem aufgemotzten Besen mitgenommen. Dann hatte sie sich am Besenstiel festgehalten, begeistert gequietscht und mit ihren kleinen Beinchen gestrampelt. Ihre Eltern hatten gemeint damals waren sie sich ziemlich sicher gewesen, dass ihre Älteste in Gryffindor landen würde. „Mit mir?“, erkundigte sie sich und hob dann ihr Glas mit der freien Hand. „Hm. Ich hab nichts mehr zu trinken, warte ich hol mir noch was.“
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Die Begrüssung seiner Nichte war nicht sonderlich deutlich ausgesprochen und ihr Lächeln war ebenso verrutscht wie ihr Haarknoten, der nicht so aussah, als würde er noch viele Kopfbewegungen aushalten, ehe er auseinanderfiel. Es war deutlich, dass etwas nicht stimmte und Phil hatte sicher nicht vor, das einfach zu ignorieren oder auf sich beruhen zu lassen. Sie schien nicht vor ihrem ersten Drink des Abends zu sitzen, doch als er direkt fragte, was mit ihr los sei, schob sie das leere Glas als Grund für die Trübsal vor.
„Wenn du so durstig bist, dann nimm eben das hier.“ Er stellte sein noch gut halbvolles Bierglas vor sie hin. Ich hole später Nachschub, aber... vorher redest du, d’accord?“, er sah die junge Frau ernst an. Etwas stimmte nicht und das ging ihm ganz gewaltig gegen den Strich. Er kannte seine Nichte, seit sie auf der Welt war und sie war niemand, der sich von einem kleinen Windhauch umblasen liess. Immerhin war sie Fluchbrecherin und das brauchte auch Nerven. Er lächelte, als er daran dachte, wie furchtlos sie früher gewesen war, wenn er sie auf seinem Besen mitgenommen hatte. Wirklich schnell war er mit der Kleinen natürlich nicht geflogen, aber allein schon die Höhe und das Pfeifen des Windes um ihre Ohren hatten sie jauchzen lassen, kaum dass sie alt genug gewesen war, sich vor ihm gut genug festzuhalten, dass er nur einen Arm gebraucht hatte, um sie zu sichern.
„Dis-le moi, ma biche.“, bat er sie erneut und sah Aurora in die Augen. „Ich kenne dich schon eine ganze Weile und du kannst mir nicht erzählen, dass es dir gut geht.“ Da würde er sich ganz bestimmt keinen Bären aufbinden lassen und wahrscheinlich wusste seine liebe Nichte auch sehr genau, dass er nicht lockerlassen würde. Dazu war er schlicht zu hartnäckig und stur.
Irgendwie war der gute Onkel Phil schon etwas verschwommen. Aber das könnte durchaus daran liegen, dass es schon spät war und irgendwie war die Luft hier trocken. Da machten ihre Kontaktlinsen das manchmal. Eine erstklassige Muggel-Erfindung, weiche Kontaktlinsen, die man ein ganzes Monat durchgehend drinnenlassen konnte. Wirklich wunderbar, immerhin hatte bisher kaum jemand mitbekommen, dass sie kurzsichtig war. Aber manchmal wurden die Dinger etwas trüb, wenn es irgendwo verraucht war oder der Tag besonders lang. Nur irgendwo im Inneren wusste Rory, dass es in diesem Fall weniger an den Sehhilfen lag sondern eher an dem Gin Tonic in größeren Mengen. Als ein halbvolles Bierglas des Franzosen vor ihr auftauchte, zog sie die Nase kraus. Weniger, weil sie Bier nicht mochte, sie trank das auch, aber Bier war nicht genug heute. Von viel Bier musste sie eigentlich nur viel pinkeln, aber sie brachte damit keinen Rausch zustande. Und der war erstklassig heilsam, das hatte sie Ende Jänner schon mit Joel ausprobiert.
„D'accord.“, brummte sie. Wieso? Weil man Phil Fagburn nicht einfach loswurde. Darin war er ein richtiger Morié. Sie alle waren elendig stur. Ihre Finger spielten ein wenig an dem leeren Glas. Aber es kam erstmal ein paar Momente nichts. Elendiger Mist, wo sollte sie denn anfangen? Ihre Familie wusste ja kaum irgendetwas. Und das sollte so bleiben. „Alooooors...“ Mit dem langgezogenen Wort rettete sie sich noch über ein paar Herzschläge. „'Ch bin abgeschossen worden. Also.. verlassen. Bin Schluss gemacht worden.“ Das war jetzt grammatikalisch alles andere korrekt, aber abgeschossen hörte sich komisch an, weil ja keiner auf sie geschossen hatte, verlassen hörte sich gemein an. „Je veux dire... ich hab..chagrin d'amour.. wie heißt das... Liebeskummer.“ Hörte sich wahrscheinlich schrecklich kindisch an, nach nicht mal einem Monat Beziehung. Aber das machte es einfach nicht besser.
Phil hob eine Braue, als seine Nichte bei dem Bier die Nase kräuselte. Er hatte sie auch schon Bier trinken sehen, doch jetzt gerade war ihr offensichtlich nicht danach. Und das Glas vor ihr sah auch nicht nach Bier oder Wein aus. Aber auch wenn sie sein Angebot was das Getränk anging ausschlug, so willigte sie doch ein zu reden. Dass er sie nicht vom Haken lassen würde, wusste sie mit Sicherheit. Er war ein sturer Sack , dagegen war kein Kraut gewachsen und bei seiner Wahlfamilie kam noch die Fürsorglichkeit und der Beschützerinstinkt dazu.
Aurora zögerte allerdings noch ein wenig, erschummelte sich mit langgezogenen Worten einige Sekunden, doch schliesslich rückte sie mit der Sprache heraus. Als sie erklärte, dass sie fallen gelassen worden sei, zog Phil die Brauen zusammen. „Dann muss der Kerl... es ist ein Kerl, oder?... blind und blöd sein.“ Natürlich war ihm bewusst, dass seine Nichte auch ihre Fehler und Macken hatte, aber trotzdem. Er rückte mit seinem Stuhl etwas näher an sie heran. „Und weil er dich abgeschossen hat, schiesst du dich jetzt selbst ab?“, wollte er wissen und deutete auf das leere Glas. Trotz seiner Frage, legte er seiner Nichte den Arm um die Schulter und strich sachte darüber. „Liebeskummer ist scheisse.“, stellte er schliesslich fest.
Nein, mit Bier oder Wein brauchte man Aurora im Moment nicht kommen, das half nicht schnell genug. Bier war zu schwach und Wein brauchte bei ihr auch zu lange, weil sie den doch gelegentlich beim Essen mit Freunden trank. Dabei half ein Rausch zumindest ein bisschen. Gut, auch nur bedingt, aber es half besser als alles andere, was sie probiert hatte. Weinen half nicht, arbeiten half nicht, schlafen half meistens auch nur den Träumen von Frank, es half. einfach. nichts. Aber der Alkohol nahm den bösen Gedanken ihre klingen, alles verschwamm zu einem grauen Brei an Gefühlen und danach konnte sie zumindest traumlos schlafen.
„Oui.“ Eine simple Antwort auf eine klare Frage. Ja, Rory schoss sich selbst aus dem Leben weil sie abgeschossen worden war. Von einem Kerl der einfach.. perfekt für sie gewesen war, wenn man davon absah, dass sie ihm sieben Jahre lang offenbar einfach entgangen war. Aber sonst? Es hatte sich alles erstklassig angefühlt, als hätte die Bestimmung sie füreinander aufgehoben. Nicht, dass sie wirklich an so Zeugs glaubte. Ihre Großmutter hatte einmal gesagt, dass Moriés Bestimmungen nicht befolgten, sie würden sie ändern als es um Wahrsagungen ging. Aber trotzdem. Es hatte einfach so wunderbar gepasst. Jetzt kamen die verdammten Tränen. Wahrscheinlich gab ihr die Fürsorge ihres Onkels den Rest. Eine langjährige Schwäche. Sie konnte sich recht gut aufrecht halten, aber wenn man sie dazu bachte, darüber zu reden was los sei oder zu viel Wärme zeigte ging es los. Rasch vergrub die Hexe ihr Gesicht an Phils Schulter. Dort war es nett und tröstlich, es war mehr als genug davon da, um sich anzulehnen. „Es fühlt sich einfach so an, als würde es nie wieder aufhören.“
“Oui.“ Eine simple Antwort, die aber so ziemlich alles sagte. Aurora wollte sich abschiessen, wollte den Kummer im Alkohol ertränken. Phil hätte gelogen, wenn er behauptet hätte, er hätte das noch nie getan. Im Gegenteil. Aber gerade deswegen wusste er, dass es nur für eine kurze Weile half. Für ein paar Stunden liess der Schmerz nach, doch dann kam er wieder, nicht weniger schlimm als zuvor und genau darin lag die Gefahr. Verliess man sich nur auf die betäubende Wirkung des Alkohols, dann konnte dieser Weg an sehr unschöne Orte führen. Er hielt seine Nichte nicht wirklich für suchtgefährdet, aber... sie so elend zu sehen tat weh.
Man sagte den Moriés nach, sie führten entweder ein langes oder ein glückliches Leben. Phil hatte schon vor langer Zeit aufgehört an Vorherbestimmung zu glauben, nicht zuletzt, weil ihm der Glaube an die freie Entscheidung zu wichtig war. Warum sollte irgend ein höheres Wesen oder auch nur das blinde Schicksal einen Menschen ein unabänderliches Los zuteilen? Nein, er weigerte sich, daran zu glauben.
Doch für Philosophie musste ein anderes Mal Zeit sein. Hier und jetzt hatte er seine Nichte vor sich, die mit gebrochenem Herzen an seiner Schulter lehnte und schluchzte. Phil legte seine Arme um die schmale Gestalt und drückte sie sachte an sich. „Papillon...“, flüsterte er, ihren Kosenamen verwendend, den er als Kind für sie gehabt hatte. Er streichelte ihr beruhigend über die von Schluchzern geschüttelten Schultern. „Ich weiss, es ist furchtbar.“, flüsterte er dicht neben ihrem Ohr. „Aber es wird aufhören. Vertrau mir. Es wird nachlassen und irgendwann verheilt es.“ Er wusste, dass es schwer war, das zu glauben. Und wenn sich seine Nichte wirklich abschiessen wollte, dann würde er eben auf sie aufpassen und sie ins Bett bringen. Wenn er sie trösten konnte... wenigstens ein bisschen... um so besser.
Während er seine Nichte im Arm hielt, begann sich Phild Blick zu verdüstern. So freundlich seine Worte Aurora gegenüber auch waren, so unfreundlich wurden seine Gefühle für den Kerl, der ihr das angetan hatte. Ja, es konnte passieren, dass man jemanden nicht mehr liebte. Aber... das hier war Aurora, sein Schmetterling. Und ihr so das Herz zu brechen bedeutete, sich Phils Zorn zuzuziehen. Unvernünftig? Wahrscheinlich, aber das hier hatte mit Vernunft auch nicht viel zu tun.
Es war echt okay in der Dunkelheit von Onkel Phils Jacke. Er war ganz anders als alle anderen Moriés, oder die unglaublich hübschen und noblen Autrien-Cousinen, gerade deshalb lehnte man sich ziemlich leicht an ihn, er wirkte einfach wunderbar unerschütterlich. So als könnte alles wieder gut werden, nur dass diese Theorie im Moment nicht bis zu Aurora durchdrang. „Ja, es [u]ist[/i] furchtbar. Wirklich es tut mehr weh als damals.“ Er würde schon wissen, was sie meinte. Thierry, seinen Angriff auf sie, die schmerzhaften Wunden an ihrer Seite, die heute noch hässliche Narben trug, ihr Liebeskummer weil sie ihre erste große Liebe verloren hatte... nur war das alles nichts im Vergleich zur Trennung von Frank. Der Schmerz war weniger körperlich dieses Mal, fühlte sich aber genau so an. Er fehlte ihr und es war wie eine üble Brandwunde, die immer schmerzte und Hitze abstrahlte.
„Weißt du, er war perfekt, er ...ist perfekt für mich, darüber habe ich nicht einmal nachdenken müssen. Über überhaupt nichts, es war einfach richtig, als würden wir uns schon immer so nahe sein.“ Wie sollte sie mit dem Wissen leben, dass sie verloren hatte, was sie an der Decke schweben ließ. „Es fühlt sich an, als wäre alles andere egal.“ Sie schniefte leise. In Strasbourg hatte sie einmal ein kleines Büchlein gefunden, ein Muggelbuch das ihre Großmutter wahrscheinlich von ihrer Jugendliebe bekommen hatte. Aurora hatte damals ziellos darin geblättert, bis sie auf einen Brief gestoßen war, der magisch an eine Seite gehext war. Den Brief hatte sie sich nicht lesen getraut, aber die Worte nebenbei. Ich fürchte nichts, nichts als die Grenzen deiner Liebe. Damals hatte sie noch nicht verstanden, sie sich das anfühlen konnte, jetzt wusste sie es. Nur konnte sie das irgendwie keinem so Recht begreiflich machen, immerhin waren sie doch kaum zusammengewesen. „Es war immer, als hätte ich keine Wahl, als wäre.. naja, als hätte mich etwas gefunden, das mir all die Jahre gefehlt hat. Und jetzt ist es weg und.. Phil, er fehlt mir so schrecklich.“
Aurora kuschelte sich an ihn und Phil hielt sie einfach fest. Im Moment konnte er wohl kaum mehr tun als das, auch wenn es weh tat, ihren Kummer zu sehen. Phil strich ihr noch immer beruhigend über den Rücken und lehnte seinen Kopf gegen ihren. Als sie meinte, es täte noch mehr weh als damals, wusste er sehr wohl, wovon sie sprach. Der Werwolf damals... Es war eine verrückte Idee des Mädchens gewesen, auch wenn Phil es irgendwie nachvollziehen konnte. Der Glaube an die Übermacht der Liebe... Tatsache war aber, dass Werwölfe in der Verwandlung einfach Bestien waren und Bestien liebten nicht. Es war einfach nicht genug vom Menschen übrig, dass dieser gegen den Rest hätte ankommen können.
Die geschluchzten Erzählungen darüber, wie perfekt der Kerl für sie gewesen sei, nahm Phil mit einem stummen Nicken hin, das Aurora sicher spüren konnte. In Gedanken aber stellte er die Gegenfrage, wie er perfekt sein konnte, wenn er sie einfach fallen liess. Dass sie den Typen vermisste und ihr das für kurze Zeit gefundene Glück fehlte, das hingegen verstand er voll und ganz. „Wein ruhig, Papillon.“, sagte er leise und wiegte sie sachte in seinen Armen. „Ich würde dir den Schmerz nehmen, wenn ich könnte.“, seufzte er. Er konnte höchstens dem Kerl die Gräten rausreissen, wenn er ihm begegnete. Nun... nur im übertragenen Sinn natürlich, aber die Mordphantasien bildeten gerade einen guten Blitzableiter. Das Problem war nur, dass er nicht wusste, wer es war und somit weder wörtlich noch bildlich etwas tun konnte. Und seine Nichte konnte er jetzt gerade wohl kaum nach dem Namen und weiteren Einzelheiten fragen. „Der Schmerz wird nachlassen, aber es braucht Zeit, ma belle. Und auch wenn du es jetzt wahrscheinlich noch nicht hören willst... es gibt andere. Irgendwann...“
Weinen machte es besser. Weil man nicht ständig damit kämpfte, es nicht zu tun. Und auch, wenn man getröstet wurde, allerdings passierte das primär wenn sie getrunken hatte weil sie nüchtern versuchte, sich aufrecht zu halten. Ihre Welt war in sich zusammengefallen, aber das bedeutete nicht, dass sie sich gehen lassen konnte, nicht vor aller Augen. Onkel Phil war ein anderes Kapitel und vor allen Dingen war die junge Hexe sturzbetrunken. Irgendwie reichte ihre Wahrnehmung einfach nicht mehr über die länge ihrer Arme hinaus. Was scherte es sie? Die Leute hier waren fast ausschließlich Muggel die sie wahrscheinlich nie wieder sehen würde.
Nach ein paar Minuten ließ das Schluchzen nach. „Darf ich mir jetz' eig'ntlich was zu trinken holen?“, nuschelte sie aus der Jacke hervor. Immerhin war sie mit der Sprache herausgerückt, Phil wusste, was Sache war. Und er hatte gesagt, danach konnte sie weiter trinken. Dass das nicht die beste Idee war, oder zumindest schon vor zwei drei Gin Tonics nicht mehr klug gewesen war blieb dabei einfach... egal. Es scherte in Wahrheit keinen. Wenn sie morgen den ganzen Tag im Bett lag und ihren Kater auskurierte, dann fiel es nicht einmal jemandem auf. Rory lebte alleine und ihr Kätzchen Persephone würde sich über ausgiebige Kuscheleinheiten wohl kaum beschweren. Mit einem letzten Schniefen tauchte sie wieder aus der kleinen, heilsamen Welt von Phils Schulter auf, wischte sich mit dem Ärmelsaum die Reste von Tränen und Makeup von den Wangen. Sollte ihr Onkel ruhig glauben, dass alles irgendwann besser werden. Sie konnte es ihm ja doch nicht erklären, dazu müsste er Frank kennen... und unter diesen Umständen würde das wohl nicht mehr passieren.
Phil hielt seine Nichte fest, bis ihr Schluchzen nachliess und sie sich ein wenig Beruhigte. Als sie ihre Stimme wiederfand und wissen wollte, ob sie jetzt endlich einen Drink holen dürfe, hob Phil den Kopf und sah auf die junge Frau hinunter. „Wenn du wirklich noch einen brauchst, dann hole ich dir einen.“, versprach er. „Und ich werde dich nach Hause bringen. So landest du am Ende im Rinnstein und das kann ich nicht verantworten.“ Auroras Antwort bestand aus einem Nicken und einigen genuschelten, unverständlichen Worten, die Phil als Zustimmung interpretierte. Vor ihr auf dem Tisch stand ein Gin Tonic-Glas. Phil stand auf und wischte Aurora mit dem Daumen über die tränennasse Wange. „Bleib hier sitzen, lass dich nicht anquatschen und mach keine Dummheiten, compris?“
Er griff nach den beiden Gläsern, leerte seins in einem Zug und wandte sich der Theke zu. Es dauerte nicht lange, bis er ein neues Bier und einen weiteren Gin Tonic in der Hand hielt. Phil bezahlte und versprach dem etwas besorgt scheinenden Barkeeper, dass er sich um seine Begleiterin kümmern würde. Er konnte nur hoffen, dass der Barkeeper ihm glauben und nicht die Cops holen würde, aber zumindest sagte der Drinkmixer nichts mehr. Vielleicht hatte er auch verstanden, dass Phil seiner Nichte nichts Böses wollte, im Gegenteil.
Zurück am Tisch stellte Phil das Glas mit dem Drink vor Aurora hin und liess sich wieder auf seinem Stuhl hin, der nun ein Stück näher an ihrem stand als noch davor. „Auf die Familie.“, sagte er und hob sein Glas. „Auf dass wir auch in stürmischen Zeiten immer füreinander da sein mögen.“
Was für eine Frage. Natürlich brauchte Rory noch einen. Oder zwei. Genug bis sie endlich wieder schlafen konnte. Wenn ihre Eltern sie so sehen könnten würden sie wohl beide vor Sorge umfallen, aber sie hatte sich doch sehr bemüht, Zuhause halbwegs gefasst zu wirken, unabhängig davon, dass sie es so gar nicht war. „Als würde das noch viel schlimmer sein.“, brummte sie mit einem Schulterzucken. Bisher hatte sie es immer noch nach Hause geschafft. Zwar war sie einmal aus Versehen auf dem Balkon gelandet statt im Flur, aber das waren so Kleinigkeiten. Und das eine oder andere Mal hatten sie ihre Freunde einfach mitgenommen oder vor der Tür abgesetzt. „Compris. Sitz'n, schweig'n, keine Dummheiten.“, wiederholte sie und salutierte im Spaß. Wirklich herumgehen schien ihr nicht die beste Idee und dass sie in diesem Zustand jemand ansprach; gerade jemand der gesehen hatte, dass sie sich an einen Kerl wie Onkel Phil gelehnt hatte, das wagte sie einfach mal zu bezweifeln. War auch besser, wenn Rory eines nicht brauchte, dann waren es Männer.
„Merci.“ Mehr ein leises Murmeln, als sie nach dem Glas griff. Phil schien nicht besonders begeistert über ihren Zustand, aber das konnte sie schon verstehen. Nur würde er wohl nicht ihren Eltern petzen, dass er die eigentlich vernünftige, bedachte und zuverlässige ältestes Morié-Tochter als kleines Häufchen elend und sturzbetrunken vorgefunden hatte. „Auf die Familie... oder zumindest den Teil, der okay ist.“ Auch Rory hob ihr Glas prostend. Den Großteil ihrer Familie mochte sie eigentlich überhaupt alle, mit denen sie regelmäßig zu tun hatte. Dann gab es da noch etwas weiter gefasste Verwandtschaft, etwa die Mädels, die allgemein die Autrien-Cousinen genannt wurden. Die taten ihr zwar auch nicht wirklich etwas, aber sie waren alle so unglaublich hübsch, dass man nur die Augen verdrehen konnte. Noch unsympathischer wohl, weil sie tatsächlich blendend aussahen. Erst im Jänner auf Luciens Hochzeit hatte sie sich das ansehen dürfen. Nein, da waren ihr ihre eigenen Leute lieber.
„Très bien.“, antwortete Phil zufrieden, als seine Nichte salutierte und seinen Befehl wiederholte. Es dauerte nicht lange, bis er wieder zurück war und tatsächlich hatte sich niemand zu ihr gesetzt und Aurora selbst war nicht davongelaufen. Das war zumindest schon etwas. Vom Trinken konnte er sie im Augenblick wohl kaum abhalten, aber so hatte er sie wenigstens im Blick. Und ausserdem... er wusste selbst, dass es manchmal helfen konnte, wenn man sich die Kante gab, wenn auch nur kurzfristig. Doch manchmal war das schon genug. Allein heimgehen lassen würde er sie so oder so nicht und wenn sie ihm auf dem Heimweg vor oder auf die Füsse kotzte... nun... er hatte schon Schlimmeres erlebt.
Sie übernahm seinen Trinkspruch und stiess ebenfalls auf die Familie an, wenn auch nur auf den Teil, der okay war. „Den Rest zähle ich nicht dazu, Papillon. Familie endet nicht mit Blut und sie fängt auch nicht damit an.“ Das hatten ihm mehrere Personen beigebracht, unter anderem seine Eltern und seine Schwestern, die sich von ihm abgewandt und ihm den Namen genommen hatten, weil er ihre Ansichten nicht geteilt und auf die Insel geflohen war.
„Willst du mir von ihm erzählen?“, wollte Phil wissen? „Seinen Namen zum Beispiel?“ Eigentlich wollte er nicht unbedingt hören, wie toll der Kerl war, der seiner Nichte das Herz gebrochen hatte, aber wenn es ihr half, dann würde er zuhören. Und den Namen zu kennen war auf jeden Fall nützlich. Immerhin konnte es ja sein, dass er ihm mal über den Weg lief und dann war es gut, wenn er es wusste. Und nein, er würde nicht einfach losziehen und ihm die Faust ins Gesicht hauen, auch wenn ihm noch so sehr danach sein mochte. Allerdings konnte es schon passieren, dass er in nächster Zeit ein gehäuftes Gnomvorkommen in seinem Garten finden würde, wenn er denn einen hatte. Wenn nicht... nun, dann würden auch ordinäre Kakerlaken ihren Dienst tun.
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Aurora hatte sich Alkohol noch nie noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Sie vertrug nicht viel und erreichte irgendwann den Punkt an dem ihr auch ein wenig schlecht wurde, aber dann war der Spaß zu Ende, dann konnte sie nicht mehr weitertrinken. Vielleicht wäre es das eine oder andere Mal nicht schlecht gewesen, wenn sie sich selbst ein wenig entgiftet hätte, aber bisher blieb der Alkohol immer in ihrem Magen, ihr Körper konnte ihn verarbeiten und gab ihr so die Gelegenheit, sich am nächsten Tag so richtig elendig zu fühlen.
Ein paar Momente dachte die französischstämmige Hexe darüber nach, was ihr „Onkel“ gesagt hatte. Ob was er da erklärte auch für sie galt. Ihre Familie begann durchaus mit dem gleichen Blut, genauer gesagt mit ziemlich dem gleichen Blut, ihren kleinen Brüdern, sie ging weiter mit ihren Eltern, Großeltern und... und natürlich Phil, obwohl sie den streng genommen auch zu „weitere Verwandtschaft“ rechnen hätte müssen, wie die Autrien-Cousinen, die ja eigentlich auch irgendwelche Verwandten ihrer Großmutter waren. Aber Phil war einfach immer da gewesen, wenn sie ihn besucht hatte war das immer spannend gewesen, alleine wegen der lustigen Tiere, um die er sich immer wieder kümmerte. Außerdem hatte er sie nie geschimpft, wenn sie mit ihren kleinen rosa Gummistiefeln so lange mit ihm im Dreck herumgematscht hatte bis die Farbe und die Blümchen kaum noch durchleuchteten. Dafür hatte ihre Mutter öfter die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wenn sie in Matsch überzogen zurückgekommen war. Aurora hatte erst irgendwann in der Grundschule geschnallt, dass der Kammerjäger eigentlich kein Bruder eines Elternteils war, aber an diesem Punkt hatte sie sich schon so daran gewöhnt ihn Onkel Phil zu rufen, dass sie das nach kurzer Rücksprache so beibehielt. Außerdem traf es besser, wie nahe sie sich dem Zauberer fühlte.
Wollte Rory von „dem Kerl“ erzählen? Eine gute Frage. Einerseits versuchte sie ja, ihn aus ihre Gedanken zu saufen, aber andererseits tauchte er ohnehin immer wieder dort auf und drehte das Messer noch einmal herum. Vielleicht war es also gar nicht so schlecht. Und mit dem Namen konnte sie ja durchaus einmal anfangen. „Frank Longbottom heißt er.“, erklärte sie mit einem tiefen Seufzen und trank noch einen Schluck. Die Klinge schnitt ihr in die Eingeweide, aber sie bemühte sich, ein paar aufkommende Tränen wegzublinzeln. „Wir waren schon gemeinsam in der Schule, hatten aber nie besonders viel miteinander zu tun. Jetzt ist er Auror. Und das schlimmste ist, dass ich ihn echt liebe..“ Eine kurze Zusammenfassung, die dem eigentlich gar nicht gerecht wurde, was sie für ihn empfand. So gar nicht.
Es tat weh, Aurora so zu sehen. Sie litt wirklich unter ihrem Liebeskummer, das war deutlich. Das Mädchen - oder besser gesagt, die junge Frau - hatte Phil schon immer sehr am Herzen gelegen und sein Beschützerinstinkt war entsprechend ausgeprägt. Dass ihre Eltern nicht seine Geschwister waren... wen kümmerte das schon? Die Hexe sagte nichts dazu, als er das Blut als nebensächlich für die Familie erklärte. Sicher, die meisten seiner ‚Familienmitglieder‘ waren durchaus Blutsverwandt, aber es gab eben auch andere und es gab welche, die sehr viel näher mit ihm verwandt waren, aber die er nicht zu seiner Familie zählte - ebenso wenig wie sie ihn.
Er seufzte, als sie ihn zögernd ansah, als er nach dem Typen fragte, der ihr das Herz gebrochen hatte. Dabei hatte Phil seine Rachegelüste noch nicht einmal in Worte gefasst, noch ihn mit den Bezeichnungen bedacht, die ihm für ihn durch den Kopf gingen. Als Aurora mit dem Namen herausrückte, nickte Phil. Frank Longbottom also. Nun, damit sollte doch etwas anzufangen sein. Er strich Rory eine verirrte Haarsträhne aus der Stirn, als sie wieder mit den Tränen zu kämpfen anfing. Der Misthund hatte tatsächlich einen verdammten Scherbenhaufen in der Brust seines Schmetterlings hinterlassen. Als Aurora weitersprach und erzählte, dass sie in der Schule nicht viel miteinander zu tun gehabt hätten, hob Phil eine Braue. „Also war er schon damals blind und blöd?“, wollte er wissen, legte seiner Nichte aber den Arm um die Schultern, als sie gestand, dass sie ihn wirklich liebe. „Sei mir nicht böse, ma p’tite, aber das spricht nicht gerade für deinen Geschmack.“, murmelte er. Der Kerl war also Auror. Nun... vielleicht würde er über Amy etwas über ihn herausfinden, ohne den Papillon in die Pfanne zu hauen. Bei der Grossmutter petzen zu gehen, war wohl kaum in ihrem Sinn.
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Es tat nicht wirklich gut über Frank zu reden und irgendwie doch. Einerseits wollte sie ihn ja aus ihrem Kopf verbannen, andererseits tauchte er dort sowieso ständig auf, er ging gar nicht mehr weg, wie ein Hintergrundrauschen mit seinem Gesicht, den Erinnerungen an ihre doch recht kurze aber intensive Zeit, ein schmerzhaftes Hintergrundrauschen, das sie zwar zu unterdrücken versuchte, aber jedes Mal das Messer umdrehte, wenn es hochkam. Wirklich, Rory hätte nicht geglaubt, dass es möglich war, jemanden so sehr zu vermissen, als würde wirklich ein Teil von ihr fehlen. Und nicht so etwas wie ein kleiner Zeh, eher als hätte ihr jemand das Herz rausgerissen, gleichzeitig musste es aber da sein, weil es so weh tat, eine schmerzende Leere.
„'ch weiß nicht.“, nuschelte die angehende Fluchbrecherin mit einem Schulterzucken. Eigentlich konnte sie nicht viel sagen, zu einer Zeit, die als damals galt. Früher hatte Rory nicht viel mit dem Zauberer zu tun gehabt, der sich jetzt wie ihr Schicksal anfühlte. Sie hatten sich gegrüßt, gemeinsam Unterricht gehabt, einmal hatte er ihr bei einer Arithmantikaufgabe geholfen wenn sie sich nicht irrte, aber sonst.. gehörten sie einfach unterschiedlichen Freundeskreisen an. Aurora hatte immer einen breit gefächerten Haufen von Freunden gehabt, ein paar davon enger, ein paar eher weniger, Frank hatte die seinen immer sehr sorgfältig ausgewählt. „'ch war damals ja mit Thierry zusamm'n.“ Wusste der Tod ob Frank sich damals für sie interessiert hätte. Als Phil ihren Männergeschmack kritisierte, verzog seine Nichte ein wenig das Gesicht. „Nein das ist es nicht, er ist... er ist kein.. Dargif.“ Immerhin hatte sie ihn belogen, ihm verschwiegen, dass sie bei der AFO war, dass sie ihn einschätzen sollte. Sie könnte sich noch immer selbst ohrfeigen, nur was wiederum, die genauen Gründe sollte sie dem Kammerjäger wirklich nicht offenlegen. „...es ist einfach blöd gelaufen.“
Aurora sah ihn aus ihren rotgeweinten Augen an, als Phil meinte, ihr Ex sei blind und blöd. Sie erklärte, dass sie damals noch mit Thierry zusammen gewesen sei und Phil verzog leicht das Gesicht. Nicht wegen dem Werwolf, mit dem seine Nichte verbandelt gewesen war, denn der Kerl war eigentlich völlig in Ordnung gewesen, sondern vielmehr wegen dem unschönen Ende, das das Ganze genommen hatte. Er hatte damals zwischen dem Wunsch, Aurora eine Kopfnuss zu verpassen und dem Verständnis für den Glauben an die Allmacht der Liebe hin und her geschwankt, doch wirklich ändern hatte er an dem Ausgang der Geschichte nichts können.
Als er ihren Geschmack in Zweifel zog, schüttelte Aurora den Kopf und begann den Kerl zu verteidigen. Zumindest machte sie einen ersten Versuch in die Richtung. „Kein Dargif, hm?“, wiederholte Phil und runzelte die Stirn. „Na gut. Da fallen mir doch noch ein paar andere Ausdrücke ein. Il est un imbécile, un crétin, un cornichon, un connard demeuré, un salaud, un andouille, un branleur...“ Er hob lächelnd die Schultern. „Ich weiss, du liebst ihn und du wirst so etwas nicht gerne hören. Aber ich bin dein Onkel, Papillon und er hat dich verletzt. Ich habe das Recht... nein, eigentlich die Pflicht das so zu sehen.“ Er fasste Aurora sanft unter dem Kinn und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
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Unschönes Ende war wahrscheinlich eine recht schöne Umschreibung der ersten Beziehung von kleine Aurora. Es war ein schmerzhaftes Ende gewesen, sowohl körperlich, wovon noch immer die Narben an ihrer Taille zeugten als auch emotional. Nur eben nicht so schmerzhaft wie die Trennung von Frank, nicht einmal am Anfang, nicht einmal annähernd. Das zwischen ihr und Thierry war sanfter gewesen, erst das zarte Flämmchen einer Verliebtheit, dem Auror hingegen war sie innerhalb von Tagen mit Haut und Haar verfallen. Die Unterhaltung ließ sie an ihren ersten Ex-Freund denken. Sie hatte ihn auf der Hochzeit seines Bruders natürlich gesehen, ein paar Worte mit ihm gewechselt sogar mit dem Werwolf getanzt. Thierry de Candé war immer noch ein gutaussehender Zauberer, wenn auch schrecklich müde.
Einen Augenblick hoffte Rory, dass ihr Onkelchen es nun gut sein ließ, immerhin hatte sie ihm erklärt, dass Frank kein Arsch war, aber stattdessen packte der Kammerjäger einen Haufen anderer Schimpfwörter los, er bezeichnete Frank als Hornochsen, Vollidioten.. und noch ein paar hässlichere Dinge. „Oncle Philippe!“, protestierte sie, musste aber doch leicht lachen. Sie griff nach ihrem sich schnell leerenden Glas, trank noch einen Schluck. „Merci.“, nuschelte sie. „'ch hab dich lieb.“ Wer konnte schon auf eine solche Familie zurückgreifen, die immer da war, in großen wie in kleinen Krisen auch wenn man sie selbst verursacht hatte. Und das hatte sie, wirklich. Hätte Aurora Frank gleich reinen Wein eingeschenkt, dann wäre es ihr wohl erspart geblieben. Wobei, nein. Ob die Wahrheit besser gewesen wäre? Nun konnte sie es nicht mehr herausfinden.
Phil wären noch so einige andere Ausdrücke eingefallen, doch die wollte er dann aber doch aus Rücksicht auf Auroras Erziehung nicht über die Lippen lassen. Hätte er mit ihren Eltern oder der noch älteren Generation an diesem Tisch gesessen, hätte er sie mit Sicherheit ausgesprochen, doch so konnte er es nicht. Gut, die Erziehung war nicht der einzige Grund, sondern auch der Umstand, dass Aurora klargestellt hatte, dass sie den Cretin liebte. Also schluckte Phil einen Teil seiner Wut hinunter und beschränkte sich auf die eher harmlosen Beschimpfungen.
Dass er damit tatsächlich nicht nur ein Schmunzeln, sondern sogar ein leises Lachen aus Aurora herausbekam, freute ihn sichtlich, auch wenn sie selbstverständlich protestierte und ihn - offenbar entsetzt über seine Wortwahl - vorwurfsvoll ansah. Als sie sich dann aber bedankte, lehnte Philippe seine Stirn gegen ihre. „Jederzeit, ma belle. Jederzeit.“, versprach er. Und er meinte seine Worte genau so, wie er sie gesagt hatte. Hätte Aurora morgens um halb drei vor seiner Hütte gestanden, hätte sie zwar einen verschlafenen aber doch hilfsbereiten Onkel vor sich gehabt. Wobei... nach all dem Training bei Amy wäre er vermutlich noch heute aus dem Bett und in Kampfbereitschaft gewesen, noch bevor er wirklich wach war.
„Dit-moi, pappillon, willst du noch hier blieben und weitertrinken, oder soll ich dich nach Hause bringen. Zu dir, zu deinen Eltern, zu mir... wie du möchtest.“ Er sah sie fragend an. „Das einzige, was ich nicht tun werde, ist, dich allein hier zu lassen.“ Ob diese Forderung gekommen wäre, wusste er nicht, aber er konnte sie dennoch gleich mal vom Tisch räumen. Wenn sie sich dafür entschied hier weiterzutrinken, würde er ihr Gesellschaft leisten und sie dann nach Hause bringen. Wenn sie zu ihm ins Dartmoor fliehen wollte, war das auch gut. Whisky hatte er genug im Haus, ebenso wie andere Getränke. Und die Gegend war hervorragend dazu geeignet, Abstand von gewissen Dingen zu bekommen. Ebenso wie der Lärm und die Musik, die sie hier umgaben. Eigentlich war es eigenartig, dass zwei Orte, die unterschiedlicher kaum hätten sein können, dennoch dieselbe Wirkung hatten. Zumindest auf Phil.
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